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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Steppenskizze aus Mittelasien von Borodin …«
    Donani nickte. »Du kannst zusagen –«
    »Danke, Maestro«, sagte Bombalo leise. Ihm standen schon wieder die Tränen in den Augen. »Man muß für die Lebenden leben, Maestro, nicht für die Toten.«
    Donani wischte sich über die Augen. »Es gibt so viele schöne Worte, Bombalo – für mich sind sie jetzt wie Staub. Wo dirigiere ich denn in zwei Wochen?«
    »In Marseille –«, sagte Bombalo. »Es wird ein großer Abend werden –«
    *
    Die Pensionswirtin erhob keinerlei Einwände, als Carola schon am nächsten Tag wieder das Zimmer kündigte. Da der vorausbezahlte Mietpreis nicht zurückgegeben zu werden brauchte, war sie sogar so freundlich, einen guten Rat mit auf die Reise zu geben:
    »Sie sollten sich die Haare färben lassen und vielleicht eine Brille tragen«, sagte sie jovial. »Und im übrigen – alles Gute, Madame –«
    Das Wort ›Madame‹ zog sie hin wie Kaugummi, genußvoll und mit einer Bosheit, zu der nur Frauen gegenüber Frauen fähig sind. Carola nahm es ihr nicht übel, auch nicht, daß sie Jean Leclerc wie eine Küchenschabe musterte und ihn abtaxierte. In ihren Blicken war deutlich zu lesen, was sie dachte. Ein Jüngelchen, das aus seiner frischen Männlichkeit Kapital schlägt. Eine männliche Hure.
    Du bist jenseits der Sehnsucht, dachte Carola, als sie sich von der Pensionswirtin abwandte und Leclerc auf die Straße folgte. In diesem Alter ist es leicht, moralisch zu urteilen. Einmal werde auch ich in diesem Alter sein, und es kommt so schnell, und ich werde den Kopf schütteln über die Dummheiten der Jugend. Aber noch bin ich jung, und ich will leben und lieben, solange ein Mann sich darum bemüht, von mir beachtet zu werden.
    Die Fahrt nach Marseille verschliefen sie zur Hälfte, aneinandergedrückt, übermüdet durch die vergangenen Ekstasen. Kurz vor Marseille wachten sie auf, standen dann auf dem Bahnsteig, die kleinen Koffer neben sich, umgeben von Gedränge und Rufen, Bauern mit Gemüsekörben und Matrosen mit prallen Seesäcken.
    »Wohin?« fragte Leclerc.
    »Wieder in eine kleine Pension.«
    Leclerc verzog das Gesicht. »Glaubst du, daß eine solche Altstadtbude der richtige Ort ist, meinen Aufstieg zu fördern? Du kennst doch die Impresarios zu genau: Nur wer richtig auftritt, wird richtig behandelt. Einen Geiger aus der Dachkammer hört überhaupt keiner an.«
    »Wir müssen sparen, Liebling.« Carola trat an eine große Tafel, auf der die Hotels von Marseille dem Alphabet nach aufgezeichnet waren. Leclerc folgte ihr mißmutig. Alles ist schiefgegangen, dachte er wütend. Statt Solist unter Bernd Donani bin ich der Schoßhund einer vulkanischen Frau geworden. Statt die G-Saite zu streicheln, streichele ich ihre Schenkel, und statt des Adagio im 2. Satz spiele ich mit ihren blonden Haaren.
    Er beruhigte sich etwas, als er an die Geldscheine in Carolas kleinem ledernen Koffer dachte und an den Krokodillederkasten voll Schmuck, den sie immer bei sich trug und nicht im brennenden Auto zurückgelassen hatte. Es wird schon weitergehen, sprach er sich selbst gütlich zu. Es ist ja alles erst ein Übergang. Wenn man die Sonne sucht, muß man ihr entgegenlaufen –
    »Hast du etwas?« fragte er.
    »Nein. Sie sind alle zu groß.«
    »Chérie, wir können doch nicht wie die Bettler leben.«
    »Wir müssen ein Zimmer haben, wo es nicht auffällt, daß eine Frau, die so aussieht wie ich, hineingeht und nach einigen Wochen wiederkommt und so aussieht wie die Frau, die ich dann geworden bin. Wenn die Operation gelungen ist, können wir hinausgehen in die Welt, die wir suchen, eher nicht.«
    »Du hast recht wie immer, Chérie.« Leclerc küßte ihr den Nacken und war zufrieden. Daß er Angst hatte, Carola könne nach der Operation nicht mehr so aussehen, wie er sie jetzt liebte, verschwieg er. Es wird merkwürdig sein, ganz merkwürdig, dachte er, wenn sie aus der Klinik kommt und ich erkenne sie nicht wieder. Wenn sie sagt: Jean – ich bin's, und ich sie anstarren werde, weil sie eine Fremde geworden ist, eine neue Frau, deren Körper ich kenne, aber deren Kopf ausgewechselt wurde. Ob ich mich je daran gewöhnen werde?
    Sie nahmen ein Taxi und ließen sich in die Altstadt von Marseille fahren. Für 10 Francs fuhr sie der Chauffeur zu einigen Häusern, in denen er Zimmer wußte, die man tage- oder wochenweise vermietete. Carola entschloß sich für das dritte angebotene Zimmer. Es hatte einen Blick auf die Hafenanlagen, auf das Meer und auf

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