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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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damals noch einsamen Park gebaut hatte. Der Besitzer war ein Reeder gewesen, von dem man augenzwinkernd erzählte, er habe sich diese Villa vor der Stadt für seine Geliebten erbauen lassen, so wie der Sonnenkönig sich vor Paris seinen berühmten ›Hirschpark‹ errichten ließ. Die Kosten seiner amourösen Lebensweise waren dann auch höher geworden als seine Einnahmen, und in den zwanziger Jahren wurde der gesamte Besitz versteigert, der Park als Baugelände aufgeteilt und mit Einfamilienhäusern bepflastert. Nur die Villa mit einem Stück Park blieb übrig … sie wechselte oft den Besitzer, bis Dr. Lombard sie kaufte und aus ihr seine kosmetische Klinik machte. Durch Um- und Anbauten machte er aus der Liebesvilla eine mustergültige Klinik, die mit den modernsten Geräten ausgestattet war und den Ruf erlangte, man käme als Siebzigjährige hinein und verlasse sie als Zwanzigjährige. Nicht biologisch, sondern lediglich dem Aussehen nach. Aber auch das war eine Leistung, die Dr. Lombard Patienten aus den vermögendsten Kreisen Frankreichs einbrachte. Ab und zu, wenn die Geschäfte etwas nachließen, denn Frauen verraten ihren Freundinnen nie, woher sie ihre neue Jugend bekommen, setzte er eine Anzeige in die Zeitungen und wählte sich dann aus den Anfragen die besten aus.
    Nach der Sekretärin und der Oberschwester war es Dr. René Lombard selbst, der sich offen wunderte, eine Frau wie Carola Donani vor sich zu sehen. Man war daran gewöhnt, abstehende Ohren, verbogene Nasen, zu wulstige Lippen, hängende oder überdimensionale Busen, Fetthüften, Hängebäuche und Krampfaderbeine zu sehen, aber nicht eine Frau, deren Schönheit auf den ersten Blick nur als makellos bezeichnet werden konnte.
    Dr. Lombard, ein großer, schwerer Mann mit rötlichen Haaren und einer goldenen Brille, bot Carola zunächst eine Zigarette an und bewunderte mit der Fachkenntnis des Schönheitschirurgen ihre übereinandergeschlagenen Beine.
    »Ich glaube, Madame«, sagte er mit einer beruhigenden, tiefen Stimme, »daß Ihr Besuch informatorischer Art ist. Es geht sicherlich um Ihre Frau Mutter –«
    »Nein, Doktor, es geht um mich.« Carola zerdrückte die Zigarette in dem großen silbernen Aschenbecher. Sie gab sich keine Mühe mehr, ihre Nervosität zu verbergen. In dieser Situation wäre es sinnlos gewesen, ganz davon abgesehen, daß sie die innere Kraft dazu nicht mehr aufbrachte. »Ich möchte mich bei Ihnen operieren lassen …«
    »Was bitte, Madame?« Dr. Lombard musterte sie wieder. Wer zwölf Jahre lang mit dem Skalpell einigen hundert Frauen eine neue Schönheit hingezaubert hat, weiß, wo man etwas korrigieren kann, wo etwas zu viel oder zu wenig an einem Frauenkörper ist. Man sieht auch durch Halter und Schnürungen hindurch, man weiß, wie ein Körper nackt aussieht, auch wenn er einem in einem noch so gut geschnittenen Kostüm gegenübersitzt. Hier fand Dr. Lombard nichts mehr, was er behandeln konnte, es sei denn, es handelte sich um den leichten Anflug von Stupsnase. Aber dies zu korrigieren, wäre eine Beleidigung der Natur gewesen. Es gehörte zu dieser Frau.
    »Mein Gesicht, Doktor.«
    »Ihr – Wie bitte?« Dr. Lombard beugte sich vor. »Was gefällt Ihnen denn nicht daran?«
    »Alles!«
    Dr. Lombard stand auf. Er sprang nicht hoch, er erhob sich bedächtig und schob dabei die Unterlippe vor. Sollte die Natur so grausam sein, in diesem Engelskopf ein krankes Hirn zu verbergen? dachte er.
    »Wieso alles?« fragte er, um Zeit zu gewinnen und Carola zu beobachten.
    »Sie halten mich für irr, nicht wahr, Doktor?« fragte Carola.
    Lombard nickte. »Ich gestehe – ich hege Zweifel –«
    »Ich möchte nicht mehr ich sein … verstehen Sie das?«
    »Nein. Wer so aussieht wie Sie, sollte jeden Morgen vor dem Spiegel die Arme ausbreiten und ausrufen: Gott, ich danke dir! … Warum wollen Sie anders aussehen? Und – um Gottes willen – wie wollen Sie aussehen? Schöner geht es doch nicht mehr.«
    »Ich will nicht nur schön sein … ich will eine andere Persönlichkeit sein. Heute bin ich als die, die ich bin, vollkommen … ich will in ein paar Wochen als eine neue Person ebenso vollkommen sein … aber anders … Und ich will es in Ihre Hand legen, Doktor, wie schön ich dann sein werde …«
    Dr. Lombard nahm seine Goldbrille ab und drehte sie wie eine Kinderklapper in der Luft herum. Sein Verdacht, eine Irre vor sich zu haben, war einem anderen, drückenden Verdacht gewichen. Er scheute sich nicht, ihn klar

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