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syrenka

syrenka

Titel: syrenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fama
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die echte Entscheidung war doch diese: Drei Geister, die sie allmählich lieb gewonnen hatte, waren einer ewigen Qual ausgesetzt. Und Hester war der einzige Mensch auf Erden, der dieser Qual ein Ende bereiten konnte.
    »Durch eine einzige Nacht ist so viel Leid entstanden«, sagte sie. Ihre Stimme klang gedämpft zwischen ihren Knien hervor.
    »Ja.«
    »Und Noo´kas, diese Hexe, hat ihr Vergnügen daran gehabt, das Leid von Generation zu Generation fortgesetzt zu sehen.«
    Sie wandte ihr Gesicht Pastor McKee zu. Er sah sie durchdringend an.
    »Noo´kas wollte, dass ich tief unten im Meer lebe«, fuhr sie fort. »Schön brav, eingelullt in Vergessen, um mich von Ezra fernzuhalten. Und als sie mich gehen ließ, war ihr nicht klar, dass ich weiß, wie ich ihr Ezra auf immer nehmen kann. Ich kann ihm das Leid, das sie ihm auferlegt hat, ersparen – und Ihnen und Linnie ebenfalls.«
    »Ja.«
    Allmählich wurde Hester in ihren nassen Kleidern in der Krypta kalt. Sie bekam eine Gänsehaut und fing an zu zittern. Sie befürchtete, vor Erschöpfung bald zusammenzubrechen – des mangelnden Schlafes wegen und als Folge der physischen und emotionalen Strapaze, der Noo´kas sie ausgesetzt hatte. Die Nacht war um, der Morgen kam. Sie stand auf.
    »Ich muss Sie jetzt erlösen, Pastor. Ich muss Ezra retten.«
    Pastor McKee stieß einen Seufzer aus, den er länger als ein Jahrhundert lang unterdrückt hatte. Tränen stiegen ihm in die Augen und quollen über seine geröteten Lider.
    »So ist es recht – du gutes, tapferes Kind! So ist es recht!«

Hester zitterte immer heftiger – allerdings hatte sie das Gefühl, dass dies nicht nur an der Kälte lag. Pastor McKees Geist zu erlösen, bedeutete, seinem kläglichen Rest Leben ein Ende zu setzen. Kam das nicht einem Mord gleich? Es war so absolut endgültig. Hester war nicht sicher, ob sie die Kraft dazu hatte.
    »Ich denke, es wird Zeit für dein erstes Schlückchen Scotch, Hester«, ergriff McKee wieder das Wort. »Er wird dir guttun. Er wird deine Nerven beruhigen und dich durchwärmen.«
    »Alkohol senkt die Körpertemperatur«, erwiderte sie leise. Sie zitterte so stark, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen.
    »Was? Also zu meinen Lebzeiten aber noch nicht! Stattdessen wird er dir Mut machen, das ist genau das, was du jetzt brauchst.« Er wirkte düster – bedrückter, als sie ihn je erlebt hatte.
    Hester nickte zustimmend. Sie konnte es als ersten Schritt ihrer traurigen Aufgabe betrachten. Die nächsten Schritte würden sich wohl anschließen, wenn sie den ersten getan hatte.
    Sie schob den Flachmann von einer Hand in die andere. Sierieb ihn an ihren Shorts. Durch das häufige Anfassen in letzter Zeit hatte er seinen alten Glanz fast wiedergewonnen. Es war ein hübsches kleines Objekt, dessen Alter an der feinen Handwerksarbeit abzulesen war. Hester stellte sich seine Reise durch die Zeit vor: vom Silberschmied, der ihn hergestellt hatte, zu McKees Mutter, von ihr zu McKee und nach Amerika, bis hin zu den hundertvierzig Jahren unter Wasser – und jetzt war er bei Hester. In der Zwischenzeit waren Generationen entstanden und wieder vergangen.
    Hester zog den Stopfen heraus, der in eine hübsche Silberkappe gefasst war. Sie schnupperte an der Flasche und konnte sich gerade noch beherrschen, nicht die Nase zu rümpfen. Nach allem, was sie von Scotch verstand, gab es auch weniger starken.
    »Riecht gut«, schwindelte sie und warf McKee einen Blick zu. Der Pastor grinste breit.
    Hester hatte genug Ahnung von Naturwissenschaft, um zu wissen, dass nichts Giftiges daran sein konnte: Silber war ein reaktionsträges Element, das extrem viel Energie von außen benötigte, damit überhaupt etwas damit passierte, und Alkohol war ohnehin ein Konservierungsmittel. Außerdem hatte der Flachmann fest verschlossen an einem kühlen, dunklen Ort gelegen. Der Scotch war noch genauso gesundheitsförderlich wie an dem Tag, an dem er in Morangie destilliert worden war. Also nicht besonders.
    Hester nahm einen Schluck. Augenblicklich begann ihr Hals mit stechendem Schmerz zu brennen. Schlucken und gleichzeitig husten funktioniert nicht, aber ihre Kehle versuchte es dennoch. Als sie schließlich ein kurzes, prustendes Bellen ausstieß, war es zu spät. Der Scotch war schon auf dem Weg hinunter, wobeier Hester jeden Zentimeter seiner Reise spüren ließ. Sie fühlte, wie er sich brennend seinen Weg durch ihr Inneres bahnte. Als er schließlich in ihrem Magen ankam, verbreitete er ein warmes und

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