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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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hoch. »Einfach so«, sagte er. »So bin ich eben. Ich hab es nur ... vergessen.«
    »Das wird schon«, sagte Hollis, was ihr völlig albern vorkam, kaum hatte sie es ausgesprochen.
    »Ich wünschte, Sie würden nicht kündigen«, sagte er.
    Schmale Straßen, ihre Namen oft Gattungsbezeichnungen. Sie mussten wirklich alt sein, dachte Hollis bei sich. Diesen Teil von London kannte sie überhaupt nicht. Sie hatte keine Ahnung, wo sie waren. »Wie weit noch?«, fragte sie Aldous.
    »Wir sind fast da«, sagte Aldous. Es herrschte kaum Verkehr. Nicht wenige Gebäude waren neu und erinnerten an den Boom, bevor die Blase platzte. Sie kamen an einem vorbei, dessen Logo auf dem Taxi geprangt hatte, mit dem sie in der Nacht gefahren war, als Inchmale ihr geraten hatte, Bigend anzurufen.
    Sie streckte die Hand aus und drückte Milgrims Doppelfaust. Er hatte kalte Finger. »Entspannen Sie sich! Ich werde Ihnen helfen. Wir stehen das gemeinsam durch.« Sie sah, dass er die Augen geschlossen hatte.
    »Draw Your Brakes« hallte ganz kurz durch den Wagen. »Aldous«, sagte Aldous in sein iPhone hinein. »Jawohl, Sir. Miss Henry, Mr. Milgrim und Miss ... ?« Er warf Hollis einen fragenden Blick zu.
    »Geben Sie her!«
    Er reichte ihr das Telefon nach hinten. »Heidi ist bei uns«, sagte sie.
    »Damit habe ich nicht gerechnet«, erwiderte Bigend. »Aber sie kann ja solange mit den Ballons spielen. Wir müssen uns unterhalten.«
    »Das wird sie verstehen.« Sie reichte Aldous das Handy zurück. Er hielt es sich ans Ohr. »Jawohl, Sir«, sagte er und ließ es wieder in seinem schwarzen Mantel verschwinden.
    »Milgrim und ich müssen uns mit Hubertus unterhalten«, sagte Hollis zu Heidi.
    Heidi wandte sich um. »Ich dachte, ich soll dir dabei helfen.«
    »Das wollte ich auch«, sagte Hollis, »aber die Sache ist komplizierter geworden.« Sie verdrehte die Augen in Milgrims Richtung.
    »Stimmt was nicht mit ihm?«
    »Nein, nein«, sagte Hollis.
    »Lassen Sie sich nicht von ihm ins Bockshorn jagen«, sagte Heidi und stupste Milgrims Knie an, worauf er entsetzt die Augen aufriss. »Der labert nur Scheiße«, erklärte sie. »Das machen sie alle.« Aldous fuhr links ran, wobei sich Hollis fragte, wer mit »alle« wohl gemeint war. Männliche Autoritätspersonen vermutlich, schließlich kannte sie Heidi. Diese Einstellung hatte auch zu ihren äußerst lebhaften seriellen Affären mit professionellen Boxern geführt und war der Grund gewesen, weshalb sie Heidi, soweit das eben ging, von den Chefs der Plattenfirmen hatten fernhalten müssen.
    Aldous drückte auf mehrere Knöpfe am Armaturenbrett, woraufhin es klirrte und klapperte. Er öffnete seine Tür, stieg aus, schloss sie, öffnete die Tür neben Hollis und half ihr herunter, seine Hand groß und warm. Milgrim kletterte ihr hinterher und zuckte zusammen, als Aldous die Tür ins Schloss wuchtete. Heidi hatte unterdessen ihre Tür selbst geöffnet und war aus dem Wagen gesprungen. Sie trug graugrüne Lederknickerbocker und kniehohe schwarze Stiefel, die mit schwerem Profil besohlt waren - noch mehr Beute von ihrer kontinuierlichen Demontage der noch verbliebenen Kreditkarten von Schwanzlurch.
    Hollis blickte zu dem Gebäude hinauf, vor dem sie parkten. Es ähnelte einem europäischen Küchengerät aus den Neunzigern, etwas von Cuisinart oder Krups, metallisch-grauer Kunststoff, die Ecken sanft gerundet. Aldous drückte auf seinen Schlüsselanhänger, worauf in dem Wagen mehrmals etwas einschnappte und er fast sichtbar erbebte, als würde er nun seine ganze Aufmerksamkeit nach außen richten.
    Sie folgten Aldous zum Eingang des Gebäudes, wo sein ebenso großer, aber weniger charmanter Kollege, dessen Name Hollis nie mitbekommen hatte, auf sie wartete.
    »Hoffentlich will er keine Urinprobe«, murmelte Milgrim unerklärlicherweise, aber Hollis tat so, als hätte sie ihn nicht gehört.
    Sie wurden durch die Tür weitergereicht, von einem Jamaikaner zum anderen, die Tür wurde hinter ihnen abgeschlossen, und sie wurden in die Mitte des beachtlichen, wenn auch vergleichsweise kleinen Atriums des Cuisinart-Gebäudes geführt. Hollis, die eine vage Vorstellung davon hatte, was Immobilien in der Stadt wert waren, ahnte, wie sehr sich die Architekten den Kopf über diesen leeren Raum zermartert hatten, der rein amerikanischen Vorstellungen entsprach und von dem jeder Quadratzentimeter mit fensterlosen Bürowaben hätte gefüllt werden können. So aber war er nur fünf Stockwerke hoch, auf allen

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