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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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schwer, und das war gut so. Sein gezackter Haarschopf machte aus dem stumpfen Gegenstand eine gefährliche Waffe.
    Sie schloss die Tür auf, ließ die Kette aber, wo sie war, und spähte hinaus. Da stand Robert und lächelte. Garreth blickte zu ihr hoch, sein Kopf in etwa auf der Höhe von Roberts Taille. Der Anblick überforderte sie völlig, bis sie die Tür ganz öffnete, auch wenn sie anschließend nicht mehr daran dachte, sie zu schließen und die Kette vorzulegen. Ebenso wenig konnte sie sich daran erinnern, was sie gesagt hatte. Aber was auch immer es gewesen war, Robert wirkte jedenfalls äußerst erleichtert und lächelte sie an.
    »Tut mir leid, dass ich dich nicht zurückrufen konnte«, sagte Garreth.
    Sie hörte, wie der Elfenbeinfetisch auf dem Teppich aufschlug und davonrollte. Sah, wie Roberts breiter Rücken durch eine der federgelagerten Türen im grünen Korridor verschwand.
    Garreth saß in einem Rollstuhl.
    Nein, nicht in einem Rollstuhl, wie sie jetzt bemerkte, als die Finger seiner rechten Hand einen Joystick bewegten, sondern auf einem Elektromobil. Es war schwarz, hatte eine graue Luftbereifung und sah aus wie eine Kreuzung aus einem ultramodernen Schweizer Bürostuhl und einem teuren Spielzeug aus den Dreißigerjahren. Als das Elektromobil über die Schwelle rollte, hörte sie sich »O Gott« sagen.
    »So schlimm, wie es aussieht, ist es nicht«, sagte er. »Ich wollte nur deinen Türsteher beeindrucken.« Er löste einen schwarzen Gehstock aus der Halterung an der Seite und drückte auf einen Knopf. Vier Stützen mit Gummispitzen schössen aus seiner Spitze. »Ein wenig, jedenfalls.« Er stand vorsichtig auf, wobei er die Zähne zusammenbiss und das Gewicht auf den Stock verlagerte. Den rechten Fuß belastete er nicht.
    Und dann hatte sie die Arme um ihn gelegt und er einen Arm um sie, ihr Gesicht tränenfeucht. »Ich dachte, du wärst tot.« »Wer hat dir das erzählt?«
    »Niemand. Aber nachdem ich gehört habe, dass du von diesem grässlichen Gebäude gesprungen bist ... und niemand wusste, wo du bist ...«
    »Ich war in München, als du angerufen hast. In einer äußerst intimen Sitzung mit fünf Neurochirurgen - drei Deutschen und zwei Tschechen. Es ging darum, das Gefühl in diesem Bein wiederherzustellen. Deshalb konnte ich auch nicht anrufen. Sie wollten mir kein Telefon geben.«
    »Hat es geklappt?« »Es schmerzt«, sagte er. »Das tut mir leid.«
    »In dem Fall ist das sogar eine gute Sache. Vielleicht solltest du die Tür schließen?«
    »Ich will dich nicht loslassen.«
    Er strich ihr über den Rücken. »Besser hinter einer verschlossenen Tür.«
    Während sie die Kette vorlegte, fragte er: »Wozu sollte das gut sein?« Sie drehte sich um. Er stand über dem Fetischkopf. »Hat das etwas mit der Scheiße zu tun, in der du laut deiner fuchtigen Schlagzeugerin steckst?«
    »Heidi?«
    »Hat mir was auf die Mailbox gesprochen. Vor ungefähr einer Stunde.«
    »Wie hast du Robert überredet, dich hier raufzubringen?«
    »Ich hab ihm die Aufnahmen vom Burdsch-Sprung gezeigt, die meine Stirnkamera gemacht hat. Der Behinderteneingang liegt auf der Rückseite. Dein Wachmann musste mich dort abholen. Als er feststellte, dass du nicht da warst, habe ich ihm erklärt, ich würde im hinteren Foyer warten und mit meinem Laptop etwas arbeiten. Natürlich hat er dort nach mir geschaut. Als er das Video gesehen hat, kamen wir ins Gespräch. Ich hab ihm gesagt, du und ich, wir wären gute Freunde.« Er lächelte. »Ist das Whisky?«
    »Möchtest du welchen?«
    »Ich darf nicht. Wegen der Schmerzmittel. Aber du vielleicht. Du siehst etwas blass aus.« »Garreth ...« »Ja?«
    »Ich hab dich vermisst.« Es klang unglaublich albern.
    »Ich dich auch.« Jetzt lächelte er nicht mehr. »Ich wusste, dass ich Scheiße gebaut habe. Und zwar in dem Moment, als mich der Lotus umgenietet hat.«
    »Du hättest gar nicht erst springen dürfen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte dich gar nicht erst verlassen dürfen.« Er ging langsam zum Bett hinüber, wobei er sich auf den vierfüßigen Stock stützte. Drehte sich genauso langsam um und setzte sich vorsichtig hin. »Der Boss«, sagte er, »lässt grüßen.«
    Sie hatte keine Vorstellung davon, wie alt der alte Mann war. Sie schätzte ihn auf mindestens 70. »Wie geht es ihm?«
    »Er ist gerade nicht besonders gut auf mich zu sprechen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ich wieder für ihn arbeiten kann. Ich glaube, er sieht ein, dass wir das Ende der

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