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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Fahnenstange erreicht haben. Alle beide.«
    Sie goss einen Fingerbreit Whisky in ein Highball-Glas. »Ich habe nie genau verstanden, was ihn angetrieben hat«, sagte sie.
    »Der Zorn des Zynikers über die Ungerechtigkeit der Welt«, erwiderte er, »dem er nur durch teuflisch komplexe Heldentaten Ausdruck verleihen kann, die surrealistischen Gestes ähneln.« Er lächelte.
    »Und das in Vancouver war so was?«
    »O ja, das lief gut. Und ich hab dich dabei kennengelernt!«
    »Und dann musstest du vor der Wahl unbedingt noch so eine Nummer abziehen?«
    »In der Wahlnacht, genau genommen. Aber das war etwas anderes. Damals haben wir nur dafür gesorgt, dass etwas ganz Bestimmtes nicht passierte.«
    Der Whisky brannte ihr im Rachen, und ihr schössen die Tränen in die Augen. Sie setzte sich neben ihn, ganz vorsichtig, weil sie befürchtete, sie könnte ihm wehtun, wenn sich die Matratze bewegte.
    Er legte ihr den Arm um die Taille. »Ich komme mir vor wie ein Schuljunge im Theater«, sagte er, »und mein Mädchen verträgt keinen Whisky.«
    »Deine Haare sind länger geworden«, sagte sie und strich darüber.
    »Die sind im Krankenhaus gewachsen. Ich musste mich mehrmals operieren lassen. Bisher hab ich noch keinen Physiotherapeuten umgebracht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.« Er nahm das Glas und roch daran. »Deine Heidi hat gesagt, du sitzt in der Scheiße. Hart drauf, die gute Frau. Wie schlimm ist es wirklich?«
    »Keine Ahnung. Heute Abend bin ich in einem Pick-up gefahren, in der City, nach einem Treffen mit Bigend, und da hat uns ein Wagen den Weg abgeschnitten. Unser Fahrer ist in eine Gasse eingebogen, und das sollte er wohl auch, denn ein zweiter Wagen kam uns vom anderen Ende entgegen. Der Fahrer hatte sich eine Balaklava übers Gesicht gezogen. Wir saßen zwischen zwei Autos fest.«
    »Und dann?«
    »Aldous, unser Fahrer, hat den Wagen vor uns auf die Straße zurückgeschoben und ihm dann den Kotflügel eingedrückt. Mit seinem Pick-up, einem Toyota, fast wie ein Panzer.«
    »Ein Hilux«, sagte er. »Mit Jankel-Panzerung?«
    »Woher weißt du das?«
    »Die sind darauf spezialisiert. Wem gehört er?« »Bigend.«
    »Ich dachte, mit dem wolltest du nichts mehr zu tun haben.«
    »Das stimmt. Immer noch. Aber er ist vor ein paar Tagen auf mich zugekommen und hat mir einen Job angeboten. Und seither läuft alles schief.«
    »Völlig daneben. Erzähl schon!«
    »Sein IT-Mann und Sicherheitsexperte hat die Seiten gewechselt. Er hat es auf einige Großaufträge von der Armee abgesehen. In den Staaten.«
    »Der IT-Mann?«
    »Bigend. Er möchte Kleider entwerfen. Für das Militär. Behauptet, das sei krisensicher.«
    Er musterte sie eingehend. »Tatsächlich? Weißt du, wer hinter dem Pick-up her war?«
    »Jemand, den Bigend verärgert hat. Ein Konkurrent. Irgendwann hat jemand den Namen erwähnt, aber ich kann mich nicht mehr an ihn erinnern. Ein amerikanischer Waffenhändler, glaube ich.«
    »Wer hat dir das erzählt?«
    »Milgrim. Der auch für Bigend arbeitet. Oder jedenfalls ein Hobby von Bigend ist, was es wahrscheinlich besser trifft.«
    »Ziemlich dunkel hier«, sagte er und schaute sich um.
    Sie stand langsam auf und ging zum Schalter hinüber. Drehte die Halogenlampen heller.
    »Da war jemand aber oft auf dem Flohmarkt«, sagte er. »Komm mir vor wie im Museum.«
    »Ein Club«, sagte sie. »Inchmale ist ihm beigetreten. Hier sieht es überall so aus.«
    Er blickte zu den Walfischknochen hinauf. »Portobello Road auf Acid.«
    Sie bemerkte, dass das rechte Bein seiner schwarzen Hosen an der Innennaht sauber aufgetrennt worden war, vom Saum bis zum Schritt. Kleine schwarze Sicherheitsnadeln hielten den Stoff zusammen. »Was hast du denn mit deiner Hose gemacht?«
    »Mir gefällt der Goth-Look. Ist nicht einfach, die richtigen schwarzen zu finden. So kann ich den Verband selbst wechseln. Der Kasten ist in meinem Invalidenstuhl.« Er lächelte. »Die Nähte fangen schon wieder an zu jucken.« Dann runzelte er die Stirn. »Kein schöner Anblick. Lassen wir das lieber.« Er roch noch einmal an dem Whiskyglas, nahm einen winzigen Schluck. Seufzte. »Das ist also die Scheiße, in der du sitzt?«
    »Da drin war ein Tracker, eine Wanze.« Sie griff nach der Blue-Ant-Figurine, die auf dem Nachttisch stand. »Vielleicht schon seit Vancouver. Oder jemand hat sie erst später da reingetan.« Sie öffnete eine Schublade und holte die Wanze in dem Plastiktütchen heraus. »Bigend? Sleight?«
    »Wer ist

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