System Neustart

israelischen Armee-BH und ließ sich auf die gelbe Seidenchaiselongue fallen. »Warum haben wir bloß aufgehört zu rauchen?«
    »Weil es nicht gut für uns war.«
    Heidi seufzte lautstark. »Er sitzt im Knast«, sagte sie. »Schwanzlurch. Keine Kaution. Er hat sich am Geld anderer Leute vergriffen.«
    »Ich dachte, dafür sind Produzenten da.«
    »Nee, nicht auf die Art.«
    »Steckst du auch in Schwierigkeiten?«
    »Machst du Witze? Mein Ehevertrag ist dicker als sein Dödel lang. Das alles ist sein Problem. Ich musste nur einfach Land gewinnen.«
    »Ich hab nie kapiert, warum du ihn geheiratet hast.«
    »Das war ein Experiment. Was ist mit dir? Was hast du hier verloren?«
    »Ich arbeite für Hubertus Bigend«, sagte Hollis, und dabei wurde ihr bewusst, wie ungern sie das zugab.
    Heidis Augen wurden groß. »Verdammte Scheiße. Für das Arschloch? Ich dachte, den kannst du nicht ausstehen. Der war dir doch immer unheimlich. Warum?«
    »Sieht so aus, als brauchte ich das Geld.«
    »Wie schlimm hat der Crash dich erwischt?«
    »Ungefähr die Hälfte.«
    Heidi nickte. »Das sagen alle. Außer die, die ihr Geld einem wie Schwanzlurch anvertraut haben.« »Hast du das nicht?«
    »Machst du Witze? Kirche und Staat halte ich hübsch getrennt. Grundsätzlich. Ich fand schon immer, dass er davon keine Ahnung hat. Andere Leute haben ihm das aber offenbar abgekauft. Weißt du was?«
    »Ja?«
    »Die tollen Typen erzählen dir nie, dass sie die tollen Typen sind. Die Leute, die sich reinlegen lassen, begreifen das einfach nicht.« »Ich glaube, ich trinke einen Whisky.«
    »Bedien dich«, sagte Heidi. Dann lächelte sie. »Scheiße, es tut gut, dich zu sehen.« Und brach in Tränen aus.

10. Augenblicklich
    Als Milgrim aufwachte, nahm er seine Medikamente, duschte, rasierte sich, putzte sich die Zähne und zog sich an. Das Neo ließ er im Ladegerät, aber eingeschaltet. Der britische Adapter für den Stecker war größer als das Ladegerät selbst. Beim Verlassen des Zimmers gab er sich Mühe, nicht die Schneiderpuppe anzuschauen.
    Während er in dem leisen japanischen Aufzug drei Stockwerke nach unten fuhr, überlegte er, ob er kurz in der Eingangshalle Halt machen sollte, um Hollis Henry auf dem MacBook zu googeln, aber dieses war gerade in Benutzung.
    Im Foyer fühlte er sich immer ein wenig unwohl. Er hatte das Gefühl, die anderen Leute könnten den Eindruck gewinnen, er wolle etwas stehlen, obwohl, von seinen vom Flug zerknitterten Kleidern abgesehen, wenig dafür sprach. Und natürlich, dachte er, als er auf die Monmouth Street in das zaghafte Sonnenlicht hinaustrat, würde er das auch nicht tun. Dazu bestand gar kein Grund. In einem unbeschrifteten Manilaumschlag in der Innentasche seiner Jacke befanden sich dreihundert Pfund, und heute gab es nichts Bestimmtes, was er damit zu tun hatte. Für einen Mann mit seiner Vergangenheit war das immer noch eine neue Situation.
    Eine Sucht, dachte er, als er sich nach rechts wandte, zu dem Obelisken, dem die Kreuzung Seven Dials ihren Namen verdankte, war anfangs wie ein magisches Haustier, ein Ungeheuer für die Hosentasche. Sie vollführte außergewöhnliche Kunststücke, zeigte einem unbekannte Dinge und machte richtig Spaß. Aber durch irgendeine sich schrittweise vollziehende düstere Alchemie kam es schließlich dahin, dass man von der Sucht gelenkt wurde. Irgendwann nahm sie einem die lebenswichtigen Entscheidungen ab. Und dabei, so hatte seine Therapeutin in Basel gesagt, war sie weniger intelligent als ein Goldfisch.
    Er ging zum Cafe Nero, einer geschmackvolleren Alternative zu Starbucks, in dem es bereits sehr voll war. Er bestellte eine Latte und ein Croissant. Letzteres wurde in gefrorenem Zustand aus Frankreich importiert. Das fand seine Billigung. Er sah, dass ein kleiner, runder Tisch frei wurde, an dem eine Frau in einem Nadelstreifenanzug gesessen hatte, und nahm rasch Platz. Von hier blickte er direkt auf die Vidal-Sassoon-Filiale hinter dem kleinen Kreisverkehr.
    Während er sein Croissant aß, fragte er sich, was Bigend wohl mit Designer-Kampfhosen anfangen wollte. Milgrim war ein guter Zuhörer, wenngleich er sich das möglichst nicht anmerken ließ, aber Bigends Motive und Vorgehensweise gaben ihm immer wieder Rätsel auf. Diese konnten auf beinahe aggressive Art zufällig erscheinen.
    Aufträge vom Militär waren im Allgemeinen krisensicher, hatte Bigend gesagt, besonders in Amerika. Das mochte teilweise sein Interesse erklären, vielleicht sogar den