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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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wusste nicht, dass Heidi hier ist«, sagte er.
    »Das hat uns alle überrascht. Aber ich wollte Ihnen sagen, dass ich morgen nach Paris fahre - ich möchte versuchen, mit jemandem zu sprechen, der etwas über Hounds weiß. Ich dachte, ich nehme Milgrim mit.«
    »Sie sind miteinander klargekommen?«
    »Soweit ganz gut, alles in allem.«
    »Ich werde Pamela bitten, Ihnen gleich eine E-Mail zu schicken. Sie kann sich um die Reservierungen kümmern.«
    »Nicht nötig. Ich werde die Spesen im Auge behalten. Aber ich möchte mein Zimmer hier nicht aufgeben, und das können ja Sie übernehmen.«
    »Das tue ich bereits«, erwiderte Bigend, »plus was sonst noch anfällt. Können Sie mir irgendetwas über Paris sagen?«
    »Ich habe vielleicht jemanden gefunden, der in die Anfänge der Hounds verwickelt war, worin auch immer die bestanden. Vielleicht. Mehr weiß ich nicht. Möglicherweise irre ich mich auch. Ich werde Sie von dort aus anrufen. Aber Sie haben Gesellschaft.« Sie lächelte und blickte zu Eydis und Fridrika hinüber, die wie zwei schlanke silberfarbene Säugetiere in ihren identischen Sesseln lauerten. »Gute Nacht.«

18. 140
    Milgrim war jetzt als GAYDOLPHIN2 angemeldet. Er folgte niemand und hatte auch niemand, der ihm folgte. Was immer das bedeutete. Und seine Tweets, was immer das war, waren geschützt.
    Während er noch versuchte, Twitter zu begreifen, rief die junge Frau an der Rezeption nach ihm - er wurde am Telefon verlangt. Von seinem Platz auf der ledergepolsterten Bank, an der der Laptop befestigt war, schenkte er ihr ein ängstliches, entschuldigendes Lächeln. Dann eilte er zu ihr hinüber und nahm das Gespräch entgegen: »Ja?«
    »Milgrim?«
    »Am Apparat.«
    »Hollis. Wie geht's?«
    »Gut«, antwortete Milgrim mechanisch. »Und Ihnen?« »Was halten Sie davon, morgen nach Paris zu fahren? Wir würden einen frühen Eurostar nehmen.« »Was ist das?«
    »Ein Zug«, sagte sie. »Durch den Eurotunnel. Das geht schneller.« »Und wozu?« Wahrscheinlich hörte er sich an wie ein argwöhnisches Kind.
    »Ich habe eine Frau gefunden, mit der wir uns unterhalten müssen. Sie ist morgen und übermorgen dort. Wo sie danach ist, weiß ich nicht.«
    »Werden wir lange weg sein?«
    »Wenn wir Glück haben, nur eine Nacht. Unser Zug fährt sieben Uhr dreißig in St. Paneras ab. Ich sorge dafür, dass jemand von Blue Ant Sie von Ihrem Hotel abholt.«
    »Weiß Hubertus Bescheid?«
    »Ja. Ich bin ihm gerade über den Weg gelaufen.« »Also gut«, sagte er. »Danke.«
    »Ich werde darum bitten, dass der Fahrer Sie auf Ihrem Zimmer anruft.« »Danke.«
    Milgrim wandte sich wieder seinen Mails und Twitter zu. Er hatte gerade eine Anfrage von Twitter erhalten, ob er zulassen wolle, dass GAYDOLPHIN1 ihm folgte. Er willigte ein. Als Nächstes würde er ihr von Paris erzählen müssen. Und zwar offensichtlich in Einheiten von 140 Zeichen.
    Während er damit beschäftigt war, erhielt er eine Anfrage von einer Cyndi-Brown32, die darum bat, ihm folgen zu dürfen.
    Da er sich an Winnies Anweisungen erinnerte, lehnte er ab. Er schloss Twitter und loggte sich aus seinem Mailserver aus. Dann klappte er das MacBook zu.
    »Gute Nacht, Mr. Milgrim«, sagte die junge Frau an der Rezeption, als er zum Aufzug ging.
    Er hatte das Gefühl, als würde sich etwas Neues in seinem Inneren ausbreiten, das eine Nummer zu groß für ihn war. Er hatte die Loyalitäten gewechselt oder jedenfalls eine neue hinzugewonnen. Oder hatte er einfach mehr Angst vor Winnie als vor Bigend? Womöglich fürchtete er sich auch davor, dass Bigend einmal nicht mehr da sein könnte.
    »Wie in der Anstalt«, sagte er zu den Wänden aus gebürstetem Edelstahl, nachdem sich die Türen des Hitachi-Aufzugs geschlossen hatten.
    Aus einer äußerst kleinen und unwirtlichen Welt war er - mit seinem Quasi-Job als Botenjunge für Bigend - in diese große Weite gelangt, die ihm plötzlich gar nicht mehr so weit vorkam. In diese Abfolge von Zimmern, in Hotels, die er sich nicht aussuchen konnte. Einfache Aufträge, bei denen er viel unterwegs war. Urintests. Immer wieder eine neue Pillenpackung.
    Was ihn an seine Medikamente erinnerte. Er rechnete nach. Er hat te genug, um zwei Tage verreisen zu können. Was immer in den Tabletten war.
    Die Aufzugtür öffnete sich zum Korridor des dritten Stockwerks. Medikamente schlucken. Zähne putzen. Für die Reise nach Paris packen.
    Wann war er das letzte Mal in Paris gewesen? Er hatte das Gefühl, nie dort gewesen zu sein. Als sei

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