System Neustart
dass die Dottirs Klienten von Blue Ant waren. Oder jedenfalls war ihr Vater, den Milgrim noch nie gesehen hatte, irgendein großes Projekt von Bigend. Möglicherweise sogar sein Partner. Manche Leute, darunter auch Rausch, waren der Meinung, Bigends Interesse an den Schwestern sei sexueller Natur. Doch Milgrim in seiner privilegierten Position als gelegentlicher Ideenlieferant Bigends glaubte das nicht. Bigend spazierte mit den Zwillingen fröhlich durch London, als seien sie ein Paar lästiger, aber unglaublich wertvoller Hunde, die jemand gehörten, den er unbedingt beeindrucken wollte.
»Die Stokers sind bei einem anderen Label«, erklärte George, »das aber derselben Firma gehört. Die Presseagenten haben eine romantische Beziehung zwischen Bram und Fridrika erfunden, aber zugleich das Gerücht in die Welt gesetzt, dass auch Bram und Eydis etwas miteinander hätten.«
»Eine sehr alte Taktik«, sagte Meredith, »die bei Zwillingen besonders offensichtlich ist.«
»Aber eine, die ihre Fans bisher noch nicht kennen«, sagte George. »Weil sie eben, wie schon gesagt, erst dreizehn sind.«
Milgrim sah Hollis an, die seinen Blick erwiderte und ihm zulächelte. Sie wollte ihm damit zu verstehen geben, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um Fragen zu stellen. Sie zog ihre Hounds- Jacke aus und hängte sie über die Rückenlehne ihres Stuhls. Darunter trug sie ein eng anliegendes Strickkleid von der Farbe verwitterter Kohle, ein Grau, das beinahe Schwarz war. Zum ersten Mal betrachtete Milgrim auch Merediths Kleid genauer. Es war schwarz, bestand aus einem dicken, glänzenden Material und war wie ein altes Arbeitshemd geschnitten. Er verstand nicht viel von Damenbekleidung, aber er glaubte, etwas darin zu erkennen. »Ihr Kleid«, sagte er zu Meredith, »es ist sehr schön.«
»Danke.«
»Ist es ein Gabriel Hounds?«
Meredith hob leicht die Augenbrauen. Sie sah von Milgrim zu Hollis und dann wieder zurück. »Ja«, sagte sie.
»Sehr hübsch«, sagte Hollis. »Aus dieser Saison?« »Sie halten sich nicht an Saisons.«
»Aber es ist relativ neu, oder?« Hollis blickte Meredith über den Rand ihres angehobenen Weinglases hinweg ernst an. »Ich habe es letzten Monat erstanden.« »In Melbourne?« »Tokio.«
»Wieder auf einer Kunstmesse?« Hollis trank ihren Wein aus. George schenkte ihr nach. Er deutete mit dem Flaschenhals fragend auf Milgrim, doch dann bemerkte er Milgrims umgedrehtes Glas.
»In einer Bar. Ein tibetanisches Mikro-Bistro. Ich habe nicht ganz mitbekommen, wo genau es war. Im Keller eines Bürogebäudes. Der Besitzer schläft über den falschen Dachsparren, die er hat einziehen lassen, aber das weiß niemand. Hounds stellt nicht sehr oft Kleidung speziell für Frauen her. Es gab mal einen Strickrock, den bisher niemand kopieren konnte, obwohl alle es versuchen. Ihre Jacke ist unisex, auch wenn man niemals darauf kommen würde. Es hat etwas mit diesen Gummizügen in den Schultern zu tun.« Sie wirkte verärgert, aber äußerst beherrscht.
»Dürfte ich fragen, woher Sie gewusst haben, wo der Verkauf stattfinden würde?«
Der erste Gang wurde gebracht, und Meredith wartete, bis die Kellnerin wieder gegangen war, bevor sie antwortete. Als sie weitersprach, wirkte sie deutlich entspannter. »Ich habe keinen direkten Kontakt«, sagte sie zu Hollis. »Den Freund, von dem ich Ihnen erzählt hatte, den ich am Cordwainers kennengelernt habe, habe ich schon seit Jahren nicht mehr getroffen. Aber er hat mir ein paar andere Leute vorgestellt. Mit ihnen habe ich ebenfalls keinen direkten Kontakt und weiß auch nicht, wie man mit ihnen in Verbindung treten kann. Aber sie haben mich auf eine Mailingliste gesetzt. Wenn irgendwo Hounds verkauft werden, bekomme ich eine E-Mail. Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich jedes Mal angeschrieben werde, das lässt sich nicht herausfinden. Diese E-Mails kommen äußerst sporadisch. Seit ich Clammy in Melbourne zum Jeanskaufen mitgenommen habe, habe ich nur zwei erhalten. Prag und Tokio. Ich war zufälligerweise gerade in Tokio. Oder jedenfalls Osaka. Da bin ich eben hingegangen.« »Was wurde dort verkauft?«
»Wollen wir nicht erst einmal essen?«, sagte Meredith. »Natürlich«, sagte Hollis.
Milgrim hatte Lachs bestellt, der sehr gut war. Die Kellnerin hatte ihm eine englische Karte gebracht. Es herrschte immer noch Aufbruchstimmung. Wahrscheinlich waren einige der Leute nur hier gewesen, um auf Brams Abgang zu warten, und die verlangten nun nach der Rechnung
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