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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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aus Irland?«
    »Dublin«, sagte sie. »Sein Vater ist Tunesier.«
    »Und Sie arbeiten für Hubertus?«
    »Genau wie Sie«, sagte sie und hängte sich die schwere Jacke über die Schulter. »Hier lang.«
    Er folgte ihr und wich dabei ölgetränkten Lumpen und weißen Styroportassen aus, manche davon noch halb mit einer Flüssigkeit gefüllt, die wohl einmal Tee gewesen war. Sie kamen an etwas vorbei, das wie ein riesiger roter Werkzeugkasten auf Rädern aussah, und gelangten schließlich an eine ramponierte Tür. Fiona zog einen kleinen Schlüsselbund aus ihrer Hose, die genauso schwer und beinahe ebenso dick gepolstert zu sein schien wie ihre Jacke.
    »Wollten Sie das?«, fragte er, als sie die Tür aufschloss.
    »Was meinen Sie?«
    »Für Bigend arbeiten? Ich nämlich nicht. Ich meine, ich hatte es nicht darauf angelegt. Es war seine Idee.«
    »Jetzt, wo Sie es sagen«, antwortete sie über die Schulter hinweg, »genauso war es bei mir auch.«
    Milgrim folgte ihr in einen aufgeräumten weißen Raum mit einer Seitenlänge von viereinhalb Metern. Die Wände bestanden aus frisch gestrichenen Mauersteinen, und der Boden war mit glänzender weißer Farbe überzogen, die beinahe genauso sauber war wie die an den Wänden. Ein kleiner viereckiger Tisch und vier Stühle, matter Stahl und gebogenes, ungestrichenes Sperrholz, einfach und teuer. Eine riesige Lampe verbreitete weiches Licht. Sie besaß einen Metallständer, der an Klinikeinrichtung erinnerte, und einen weißen parabolischen Schirm, der nach oben gerichtet war. Der Raum wirkte wie eine winzige Kunstgalerie, in der gerade keine Ausstellung stattfand. »Was ist das?«, fragte Milgrim und sah von einer leeren Wand zur anderen.
    »Einer von seinen Vegaswürfeln«, sagte sie. »Haben Sie davon noch keinen gesehen?« Sie ging zu der Lampe und machte etwas damit, sodass es im Raum heller wurde.
    »Nein.«
    »Das gewöhnliche Glücksspiel kann er zwar nicht ganz nachvollziehen«, sagte sie, »aber er liebt die Kasinos in Las Vegas. Die Überlegungen, die dahinterstecken. Die zeitliche Isolation, die dort erzeugt wird. Keine Uhren, keine Fenster, nur künstliche Beleuchtung. In einer solchen Umgebung kann er besonders gut nachdenken. So wie hier. Da wird man nicht unterbrochen. Den Standort dieser Räume hält er geheim.«
    »Er mag Geheimnisse«, stimmte Milgrim zu und legte seine Tasche auf den Tisch.
    Ein Junge mit einem nahezu kahlgeschorenen Schädel kam herein, zwei hohe weiße Styroportassen in den schmutzigen Händen, die er auf den Tisch stellte. »Danke«, sagte Fiona. Er ging, ohne etwas zu erwidern. Fiona nahm eine der Tassen und nippte durch das Loch in dem weißen Plastikdeckel an ihrem Inhalt. »Bauarbeitertee«, sagte sie.
    Milgrim probierte seinen. Und schüttelte sich. Der Tee war frisch aufgebrüht und ziemlich süß.
    »Ich bin nicht seine Tochter«, sagte Fiona.
    Milgrim blinzelte. »Wessen Tochter?«
    »Bigends. Trotz der Gerüchte, die im Umlauf sind. Aber das ist alles Quatsch.« Sie nahm noch einen Schluck von ihrem Tee. »Das hätte ich auch nicht vermutet.«
    »Meine Mutter war mal mit ihm zusammen. Damit fing die Geschichte an. Aber damals gab es mich schon, also ergibt das alles keinen Sinn. Obwohl es mich hierher verschlagen hat und ich jetzt für ihn arbeite.« Sie schenkte Milgrim einen Blick, den er nicht deuten konnte. »Nur, um das klarzustellen.«
    Milgrim trank ein wenig Tee, vor allem, um die Tatsache zu überspielen, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. »Hat er Sie dazu ausgebildet, Motorrad zu fahren?«, fragte er.
    »Nein«, sagte sie. »Ich war vorher schon Kurier. Daher kenne ich auch Benny. Ich könnte meinen Job bei Bigend jederzeit hinschmeißen und hätte innerhalb einer Stunde einen neuen. So ist das als Kurier. Wenn man mal einen Tag freinehmen will, kündigt man einfach. Aber meine Mutter hatte was gegen diesen Job. Sie hat sich Sorgen gemacht.«
    »Ist es denn gefährlich?«
    »Die durchschnittliche Karriere dauert höchstens zwei Jahre. Also hat sie mit Bigend geredet. Sie wollte, dass er mir einen Job bei Blue Ant gibt. Dass ich dort arbeite. Stattdessen hat er mich zu seinem persönlichen Kurier gemacht.«
    »Und das ist weniger gefährlich?«
    »Eigentlich nicht. Aber ich lass sie in dem Glauben. Sie weiß nicht, was mein Job alles umfasst. Sie hat selbst viel zu tun.«
    »Guten Morgen«, sagte Bigend hinter ihnen.
    Milgrim drehte sich um. Bigend trug seinen blauen Anzug über einem schwarzen Hemd, ohne

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