Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
sie sie ihn hätte einstreichen lassen, sondern auch noch ihre Ruhe dabei gefunden. Für Mademoiselle würde man sich im Lande töten lassen, während der General, wenn er so fortführe, sich viele Schwierigkeiten bereite.
Gaubertin – und diesen letzten Zug trifft man häufig bei den meisten Berufen an, in denen man sich das Gut anderer durch Mittel aneignet, die im Gesetzbuch nicht vorgesehen sind – hielt sich für einen durchaus ehrenwerten Menschen. Erstens besaß er seit so langer Zeit ja das durch den Terror Mademoiselle Laguerres Pächtern abgepreßte Hartgeld, das er ihr in Assignaten eingehändigt hatte und für rechtlich erworben hielt. Das war eine Wechselangelegenheit. Mit der Zeit glaubte er sogar, Gefahr gelaufen zu sein, indem er Hartgeld angenommen hätte. Ferner durfte Mademoiselle gesetzlich nur Assignaten empfangen. »Gesetzlich« ist ein unerschütterliches Adverb, es verleiht vielen Vermögen Stütze! Endlich hat, seit es Großgrundbesitzer und Verwalter gibt, das heißt seit Anbeginn der Gesellschaft, der Verwalter für seinen Gebrauch einen Vernunftschluß zurechtgelegt, nach welchem heute die Köchinnen handeln, und der in seiner Einfachheit also lautet:
»Wenn meine Herrin, sagt sich jede Köchin, selber auf den Markt ginge, würde sie ihre Vorräte vielleicht teurer einkaufen, als ich sie ihr berechne; sie gewinnt dabei, und der Vorteil, den ich dabei finde, ist in meinen Taschen besser als in denen der Kaufleute untergebracht!«
Wenn Mademoiselle Les Aigues selber verwaltete, würde sie keine dreißigtausend Franken herausschlagen; die Bauern, Kaufleute und Arbeiter würden ihr die Differenz stehlen: es ist mehr als natürlich, daß ich sie behalte, und ich erspare ihr viele Sorgen, sagte sich Gaubertin.
Die katholische Religion besitzt allein die Macht, derartige Gewissenskapitulationen zu verhindern, doch seit 1789 hat die Religion über zwei Drittel der französischen Bevölkerung keine Gewalt mehr.
Auch waren die Bauern, die sehr aufgeweckt sind und die das Elend zur Nachahmung treibt, im Tale von Les Aigues bei einem erschreckenden Zustande der Demoralisation angelangt. Sie gingen Sonntags in die Messe, blieben aber außerhalb der Kirche, denn sie gaben sich dort stets gewohnheitsmäßig ihrer Käufe und Geschäfte wegen Stelldicheins.
Man kann jetzt alles Uebel ermessen, das durch die Sorglosigkeit und das Gehenlassen der einstigen ersten Schülerin der Akademie der Musik und des Gesangs hervorgerufen wurde. Durch Egoismus hatte Mademoiselle Laguerre die Sache der Besitzenden dem Hasse derer verraten, die da nichts besitzen. Seit 1792 sind alle Grundbesitzer Frankreichs sich gegenseitig verantwortlich geworden. Ach, wenn die Feudalfamilien, die minder zahlreich sind als die Bürgerfamilien, ihre Solidarität weder im Jahre 1400 unter Ludwig XI., noch 1600 unter Richelieu begriffen haben, kann man da annehmen, daß trotz der Fortschrittsansprüche des XIX. Jahrhunderts die Bourgeoisie besser zusammenhalten wird, als es der Adel tat? Eine Oligarchie von hunderttausend reichen Leuten besitzt alle Nachteile der Demokratie, ohne ihrer Vorteile zu genießen. Das »Jeder bei sich, jeder für sich«, der Familienegoismus wird den oligarchischen Egoismus, der für die moderne Gesellschaft so notwendig ist, und den England seit drei Jahrhunderten in so glücklicher Weise ausübt, töten. Was man auch tun möge, die Besitzenden werden die Notwendigkeit der Disziplin, für welche die Kirche ein so wunderbares Beispiel abgibt, bis zu dem Augenblicke nicht begreifen, wo sie sich bei sich bedroht sehen werden, und dann wird's zu spät sein. Der Mut, mit dem der Kommunismus, jene lebendige und wirksame Logik der Demokratie, die Gesellschaft in ihrer sittlichen Grundlage angreift, verkündet, daß von heute an der Volkssimson, klug geworden, die sozialen Säulen im Keller untergräbt, anstatt im Festsaale an ihnen zu rütteln.
VII
Verschwundene soziale Spezies
Die Besitzung Les Aigues konnte nicht ohne Verwalter auskommen, denn der General beabsichtigte nicht auf die Wintervergnügen in Paris zu verzichten, wo er in der rue Neuve-des-Mathurins ein prachtvolles Hotel besaß. Er mußte also einen Nachfolger für Gaubertin suchen; suchte ihn aber gewißlich nicht mit größerer Sorgfalt, als Gaubertin anwandte, ihm einen aus seinen Händen zu geben. Von allen Vertrauensstellungen erfordert keine mehr erworbene Kenntnisse als auch Betriebsamkeit wie die eines Verwalters einer großen Besitzung.
Weitere Kostenlose Bücher