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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Gerichtsschreibers beschaffen. Da aber die meisten Menschen keine Beobachter sind und dreiviertel der Beobachter post festum ihre Beobachtungen machen, galt Adolphe Sibilets brummige Miene als Ausdruck einer rauhen Freimütigkeit, einer von seinem Vorgesetzten gerühmten Befähigung und seiner spröden Redlichkeit, die noch keine Probe in Versuchung gebracht hatte. Es gibt Leute, die von ihren Fehlern wie andere von ihren guten Eigenschaften bedient werden.
    Adeline Sarcus, eine hübsche Person, die von ihrer drei Jahre vor dieser Ehe gestorbenen Mutter so gut erzogen worden war, wie eine Mutter eine einzige Tochter inmitten einer Kleinstadt erziehen kann, liebte den jungen und schönen Lupin, den einzigen Sohn des Notars in Soulanges. Schon in den ersten Kapiteln dieses Romans schickte der Vater Lupin, der für seinen Sohn Mademoiselle Elise Gaubertin im Auge hatte, den jungen Amaury Lupin nach Paris zu seinem Geschäftsfreund Herrn Crottat, einen Notar, wo Amaury, angeblich um Aktenstücke und Kontrakte aufsetzen zu lernen, mehrere Torheitsakte beging und, verleitet durch einen gewissen Georges Marest, einen Büroschreiber, einen reichen jungen Mann, der ihn in die Mysterien des Pariser Lebens einweihte, Schulden kontrahierte. Als Lupin seinen Sohn aus Paris abholte, hieß Adeline bereits Madame Sibilet. Als der verliebte Adolphe sich einstellte, beschleunigte der alte Friedensrichter, durch Lupins Vater gedrängt, in der Tat die Heirat, in die Adeline aus Verzweiflung einwilligte.
    Beim Katasteramt kommt man nicht vorwärts. Es ist wie viele dieser zukunftslosen Verwaltungszweige, eine Art Loch im Regierungsschaumlöffel. Die Leute, die sich diese Löcher als Beruf erwählen (Topographen, Brücken- und Straßenbauer, Professoren) merken stets ein bißchen zu spät, daß Geschicktere, die an ihrer Seite sitzen, sich jedesmal vom Schweiße des Volkes nähren, wie die Schriftsteller der Opposition stets erklären, wenn der Schaumlöffel vermittels jenes Budget genannten Schöpfwerkes in die Steuern taucht. Da Adolphe von morgens bis abends arbeitete und wenig Nutzen durch die Arbeit erlangte, erkannte er bald die unfruchtbare Tiefe seines Loches. So dachte er denn, wenn er von Gemeinde zu Gemeinde trabte und sein Gehalt für Schuhsohlen und Reisekosten verausgabte, daran, sich eine feste und einträgliche Stellung zu suchen.
    Man kann sich nicht vorstellen, außer wenn man scheelsüchtig ist und zwei Kinder aus rechtmäßiger Ehe besitzt, wieviel Ehrgeiz drei Jahre der Leiden, die mit Liebe vermischt waren, in diesem Burschen freigemacht hatten, dessen Geist und Blick gleicherweise schielten, und dessen Glück auf schlechten Füßen stand, um nicht zu sagen, hinkte. Das stärkste Element geheimer böser Handlungen und unbekannter Niederträchtigkeiten ist vielleicht ein unvollständiges Glück. Lieber nimmt der Mensch vielleicht ein hoffnungsloses Unglück hin als jene Sonnen- und Liebesmomente zwischen beständigen Regenschauern. Wenn der Körper sich Krankheiten dabei zuzieht, holt sich die Seele dabei den Aussatz des Neides. Bei den niedrigen Geistern artet dieser Aussatz in eine feige und gleichzeitig brutale, in eine kühne und gleichzeitig versteckte Begehrlichkeit aus. Bei kultivierten Geistern erzeugt er antisozialistische Doktrinen, deren man sich als Fußschemel bedient, um Herr zu werden über seine Vorgesetzten. Könnte man daraus nicht folgendes Sprichwort machen: »Sage mir, was du hast, und ich werde dir sagen, was du denkst?«
    So lieb er seine Frau auch hatte, sagte Adolphe sich zu jeder Stunde: »Ich hab' eine Dummheit gemacht. Drei Kugeln hab' ich am Bein, und hab' doch nur zwei Beine! Ehe ich mich verheiratete, hätte ich mir ein Vermögen erwerben müssen. Eine Adeline findet man immer, und Adeline wird mich hindern, ein Vermögen zu finden.«
    Adolphe, Gaubertins Verwandter, hatte diesem drei Besuche in drei Jahren gemacht. Aus einigen Worten erkannte Gaubertin im Herzen seines Verwandten jenen Schlamm, der an den heißen Konzeptionen des legalen Diebstahls gebacken werden will. Boshaft sondierte er diesen Charakter, der fähig war, sich den Forderungen eines Planes anzupassen, vorausgesetzt, daß er dabei auf seine Kosten käme. Bei jedem Besuche brummte Sibilet:
    »Verwenden Sie mich doch, lieber Vetter; nehmen Sie mich doch als Gehilfen an und machen Sie mich zu Ihrem Nachfolger. Sie werden mich bei der Arbeit sehen! Ich bin imstande, Berge abzutragen, um meiner Adeline, ich will nicht sagen,

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