Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
»seines« Flurschützen auf dreihundert Franken und ließ eine Bürgermeisterwohnung bauen, in der er ihn unterbrachte. Dann verheiratete er ihn mit der Tochter eines seiner Pächter, der gerade gestorben war und sie als Waise mit drei Arpent Weinbergen zurückgelassen hatte. Groison hing also an dem General wie ein Hund an seinem Herrn. Diese legitime Treue wurde von der ganzen Gemeinde zugegeben. Der Feldhüter war gefürchtet und respektiert, aber wie ein Kapitän auf seinem Schiff, wenn er bei der Mannschaft nicht beliebt ist; auch behandelten ihn die Bauern wie einen Aussätzigen. Dieser Beamte, der mit Schweigen oder mit einem Spott, der sich hinter Biederkeit verbarg, aufgenommen wurde, war eine von anderen Wachen überwachte Wache. Er vermochte nichts gegen die Uebermacht. Die Delinquenten belustigten sich damit, sich zu unfeststellbaren Straftaten zu verschwören, und der alte Schnauzbart ärgerte sich über seine Ohnmacht. Groison fand in seinen Funktionen den Reiz eines Freibeuterkrieges und das Vergnügen einer Jagd, der Jagd auf Vergehen. Durch den Krieg an jene Biederkeit, die in gewissem Sinne darin besteht, offenes Spiel zu spielen, gewöhnt, hatte dieser Feind des Verrats einen Widerwillen gegen Menschen, die perfid in ihren Berechnungen und geschickt in ihren Diebstählen waren und seine Eigenliebe verletzten. Er bemerkte bald, daß alle anderen Besitzungen geschont wurden; die Vergehen wurden einzig und allein auf dem Boden von Les Aigues begangen. Er verachtete daher die Bauern, die undankbar genug waren, einen General des Kaiserreichs zu plündern, einen wirklich guten und edelmütigen Mann. Und zur Verachtung gesellte sich bald der Haß. Aber er vervielfachte sich vergebens, er konnte sich nicht überall zeigen, und die Feinde begingen überall zu gleicher Zeit Missetaten. Groison setzte seinem General die Notwendigkeit auseinander, eine vollkommen kriegsmäßige Verteidigung zu organisieren, indem er ihm die Unzulänglichkeit seiner Ergebenheit bewies und ihm die üble Gesinnung der Talbewohner offenbarte.
»Es steckt irgendwas dahinter, Herr General,« sagte er zu ihm; »die Leute hier sind zu keck, vor nichts haben sie Angst; es sieht so aus, als ob sie auf den lieben Gott rechneten!«
»Wir werden sehen!« antwortete der Graf.
Ein verhängnisvolles Wort! Für große Politiker hat das Verbum sehen kein Futurum.
In diesem Augenblick mußte Montcornet eine Schwierigkeit beseitigen, die ihm dringlicher erschien: es fehlte ihm ein alter ego , das ihn im Bürgermeisteramt während der Zeit seines Aufenthalts in Paris vertrat. Genötigt, als Beisitzenden einen Mann zu suchen, der zu lesen und zu schreiben verstand, sah er in seiner ganzen Gemeinde nur Langlumé, den Pächter seiner Mühle. Diese Wahl war grundschlecht. Nicht nur waren die Interessen des General-Bürgermeisters und des Beigeordneten-Müllers diametral entgegengesetzt, Langlumé machte auch noch verdächtige Geschäfte mit Rigou, welcher ihm das für seinen Handel oder seine Ankäufe nötige Geld vorstreckte. Der Müller kaufte den Grasschnitt der Schloßwiesen, um seine Pferde zu füttern, und dank seinen Machenschaften konnte Sibilet ihn nur an ihn verkaufen. Alle Wiesen der Gemeinde wurden vor denen von Les Aigues zu guten Preisen überlassen, und da die von Les Aigues zuletzt an die Reihe kamen, erlitten sie, obwohl sie besser waren, eine Preisminderung. Langlumé wurde also ein provisorischer Beigeordneter. In Frankreich jedoch währt das Provisorium ewig, wiewohl die Franzosen im Rufe stehen, die Veränderung zu lieben. Der von Rigou beratene Langlumé spielte vor dem General den ergebenen Mann; er war also Beigeordneter in dem Augenblicke, wo dank der Allmacht des Geschichtschreibers dieses Drama anhebt.
In des Bürgermeisters Abwesenheit herrschte Rigou, der notwendigerweise Ratsmitglied der Gemeinde war, dort unbestritten und ließ Entschlüsse fassen, die den Interessen des Grafen entgegenliefen. Bald veranlaßte er dort Ausgaben, die nur für die Bauern von Nutzen waren, und deren Hauptanteil Les Aigues zur Last fiel, das infolge seiner Ausdehnung zwei Drittel der Steuern bezahlte. Bald verweigerte man dort nützliche Geldaufwendungen, wie einen Gehaltszuschuß für den Abbé, die Wiederherstellung des Pfarrhauses oder das Gehalt eines Schulmeisters.
»Wenn die Bauern zu lesen und zu schreiben verständen, was würde dann aus uns?« sagte Langlumé ganz unbefangen zum General, um diesen antiliberalen Entschluß zu
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