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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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da der General durch die Brückenallee anlangte, reinigte Madame Courte-Cuisse einen Tiegel, in welchem sie eben Milchkaffee gekocht hatte. Der Wächter saß auf einem Stuhle in der Sonne und sah seine Frau an wie ein Wilder die seinige betrachtet hätte. Als er das Pferdegetrappel hörte, wandte er den Kopf, erkannte den Herrn Grafen und machte ein verblüfftes Gesicht.
    »Nun, Courte-Cuisse, mein Junge,« sagte der General zu dem alten Wächter, »ich wundere mich nicht, daß man mir meine Bäume abschneidet, ehe die Herrn Gravelot sie holen. Du hältst deine Stelle für eine Sinekure!«
    »Meiner Treu, Herr Graf, ich bringe so viele Nächte in Ihren Wäldern zu, daß ich eine Erkältung erwischt habe. Ich hab' heute morgen so viele Schmerzen, und meine Frau macht grade den Topf rein, in dem sie meinen Breiumschlag erwärmt hat.«
    »Mein Lieber,« sagte der Graf zu ihm, »ich kenne keine andere Krankheit als den Hunger, für den Umschläge von Milchkaffee gut sind. Höre, Schelm, ich hab' gestern meinen Wald und die der Herrn von Ronquerolles und von Soulanges besichtigt. Ihre sind vortrefflich behütet, und meiner ist in einem jämmerlichen Zustande...«
    »Ach, Herr Graf; die sind alteingesessen im Lande, die! Man schont ihre Besitzungen. Wie soll ich mich denn mit sechs Gemeinden herumschlagen! Mein Leben ist mir lieber als Ihre Wälder. Ein Mann, der Ihre Forsten, wie es sich gehört, bewachen wollte, würde als Belohnung in einem Ihrer Waldwinkel eine Kugel in den Schädel kriegen!«
    »Feigling!« rief der General, indem er die Wut bändigte, die Courte-Cuisses unverschämte Antwort in ihm auflodern ließ. »Heute Nacht war's herrliches Wetter, doch das kostet mich dreihundert Franken für den Augenblick und tausend Franken Schaden für die Zukunft... Sie werden hier, mein Lieber, wenn sich die Dinge nicht ändern, herausgesetzt. Für jede Sünde Barmherzigkeit. Hier sind meine Bedingungen: Ich überlasse Ihnen den Ertrag der Geldbußen; außerdem sollen Sie drei Franken fürs Protokoll haben. Wenn ich dabei nicht auf meine Rechnung komme, werden Sie die Ihrige haben und ohne Pension; während Sie, wenn Sie mir treu dienen, wenn es Ihnen gelingt, die Verwüstungen zu unterdrücken, dreihundert Franken Rente haben können. Ueberlegen Sie sich das. Hier sind sechs Wege,« sagte er auf die sechs Alleen hinweisend, »einen davon muß man einschlagen wie ich, der ich keine Angst vor Kugeln habe. Trachtet, den richtigen zu finden.«
    Courte-Cuisse, ein kleiner sechsundvierzigjähriger Mann mit einem Vollmondgesicht, hatte die größte Freude am Nichtstun. Er rechnete damit, in diesem Pavillon, der sein Pavillon geworden war, zu leben und zu sterben. Seine beiden Kühe fanden ihre Nahrung im Walde, er hatte sein Holz und bebaute seinen Garten, anstatt Missetätern nachzulaufen. Diese Sorglosigkeit hatte Gaubertin auf dem Gewissen, denn Courte-Cuisse hatte Gaubertin verstanden. Der Wächter machte also nur Jagd auf die Holzsammler, um seinen kleinen Haß zu befriedigen. Er verfolgte die Mädchen, welche sich seinem Willen nicht fügten, und Leute, die er nicht liebte. Doch seit langem haßte er keinen Menschen mehr, da er von jedermann seiner Umgänglichkeit wegen geliebt wurde. Für Courte-Cuisse war der Tisch im Grand-I-Vert stets gedeckt; die Holzsammler leisteten ihm keinen Widerstand mehr; sein Weib und er empfingen von allen Plünderern Geschenke in Naturalien. Man brachte ihm sein Holz ins Haus und man bearbeitete seinen Weinberg. Kurz, er fand in allen seinen Delinquenten Diener.
    Da er durch Gaubertin seiner Zukunft fast sicher war und auf zwei Arpents rechnete, wenn Les Aigues verkauft würde, wurde er aus seinem Traume durch das trockene Wort des Generals jäh aufgeschreckt, der endlich nach vier Jahren die Natur eines Bourgeois enthüllte, der entschlossen ist, sich nicht länger betrügen zu lassen. Courte-Cuisse nahm seine Mütze, seine Jagdtasche, sein Gewehr, legte seine Gamaschen und sein Wehrgehenk mit Montcornets neuem Wappen an, und ging mit jenem sorglosen Schritt, unter welchen die Landleute ihre tiefsten Gedanken verbergen, nach Ville-aux-Fayes, indem er die Wälder anschaute und seine Hunde herbeipfiff.
    »Du beklagst dich über den Tapezier,« sagte Gaubertin zu Courte-Cuisse, »und dein Glück ist gemacht! Wie, der Einfaltspinsel gibt dir drei Franken für ein Protokoll und die Bußgelder? Sieh zu, daß du mit Freunden handelseins wirst; du kannst ihrer aufnehmen, soviel du willst, solcher

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