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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Sie meint, aller Welt gelüste nach ihr, und sie gleicht dem Innern eines Rauchfangs. Wenn Justin nachts die Wälder abstreift, ist das Kind ebenso unruhig wie ich. Wenn ich das Pferd meines Mannes herantraben höre und das Fenster aufmache, sehe ich Licht bei der Péchina, wie man sie nennt, was mir beweist, daß sie wach ist, daß sie ihn erwartet; kurz, sie legt sich, wie ich selbst, erst schlafen, wenn er zurückgekommen ist.«
    »Dreizehn Jahre!« sagte die Gräfin, »die Unglückliche!...«
    »Unglückliche? ...« erwiderte Olympe. »Nein. Diese kindliche Liebe wird sie retten ...«
    »Wovor?« fragte Madame de Montcornet.
    »Vor dem Lose, das hier fast alle Mädchen ihres Alters erwartet. Seitdem ich sie aus dem Gröbsten heraus habe, ist sie weniger häßlich geworden; sie hat etwas Bizarres, Wildes, das Männer fesselt ... Sie hat sich so verändert, daß Madame sie nicht wiedererkennen würde. Der Sohn jenes abscheulichen Wirts vom ›Grand-I-Vert‹, Nicolas, der nichtsnutzigste Bengel der Gemeinde, stellt der Kleinen nach und verfolgt sie wie ein Wild. Wenn es kaum glaublich ist, daß ein reicher Mann, wie Monsieur Rigou, der alle drei Jahre seine Magd wechselt, ein häßliches Ding seit ihrem zwölften Lebensjahre verfolgen konnte, so erscheint's als gewiß, daß Nicolas Tonsard der Péchina nachläuft; Justin hat's mir gesagt. Das wäre schrecklich; denn die Leute hier zu Lande leben wahrlich wie die Tiere. Justin aber, unsere beiden Dienstboten und ich wachen über die Kleine; also seien Sie nur ruhig, Madame; allein geht sie nur am hellichten Tage aus, und nur von hier nach dem Conches-Tore. Sollte sie zufällig in eine Falle geraten, würde ihr Gefühl für Justin ihr Kraft und Klugheit zum Widerstande verleihen, wie die Frauen, die einen Mann im Herzen tragen, einem Verhaßten zu widerstehen wissen.«
    »Ihretwegen bin ich gerade hierhergekommen,« fuhr die Gräfin fort; »ich wußte nicht, wie nützlich es für dich war, daß ich hierher ging; denn das Kind wird nicht immer dreizehn Jahre alt bleiben ... Das Mädchen wird schöner werden!«
    »O Madame,« erwiderte Olympe lächelnd, »Justins bin ich sicher. Welch ein Mann, welch ein Herz! ... Wenn Sie wüßten, wie unsäglich dankbar er seinem General ist, dem er, wie er sagt, sein Glück verdankt! Er ist nur zu ergeben, er würde sein Leben wie im Kriege wagen und vergißt, daß er sich jetzt als Familienvater ansehen kann.«
    »Nun, ich bedauerte dich,« sagte die Gräfin, indem sie Olympe einen Blick zuwarf, der sie erröten machte, »bedauere aber nichts mehr, ich sehe dich glücklich ... Wie erhaben und edel ist doch die Liebe in der Ehe!« fügte sie hinzu, indem sie ganz laut einen Gedanken äußerte, den sie vor kurzem vor dem Abbé Brossette nicht zu äußern gewagt hatte. Virginie de Troisville verharrte nachdenklich, und Madame Michaud achtete ihre Schweigsamkeit. »Höre, ist die Kleine ehrlich?« fragte die Gräfin, als sie wie aus einem Traume erwachte.
    »Ebenso wie ich, Madame!« antwortete Madame Michaud.
    »Verschwiegen? ...«
    »Wie ein Grab.«
    »Dankbar? ...«
    »Ach, Madame, sie hat mir gegenüber Demutsanwandlungen, die eine engelhafte Natur anzeigen; sie küßt mir die Hände, sagt mir Sachen, die mich in Verlegenheit setzen ... ›Kann man vor Liebe sterben?‹ fragte sie mich vorgestern. – Warum fragst du mich das? entgegnete ich. – ›Um zu erfahren, ob sie eine Krankheit ist! ...‹«
    »Das hat sie gesagt?« rief die Gräfin.
    »Wenn mir all ihre Aeußerungen wieder einfielen, könnte ich Ihnen noch vieles andere sagen,« erwiderte Olympe, »es scheint, als wüßte sie viel mehr darüber wie ich.«
    »Glaubst du, liebes Kind, daß sie dich bei mir ersetzen könnte, denn ohne eine Olympe kann ich nicht auskommen,« sagte die Gräfin und lächelte nicht ohne eine gewisse Traurigkeit.
    »Noch nicht, Madame, sie ist zu jung; aber in zwei Jahren, ja; ... Dann, wenn's nötig ist, daß sie von hier fortkommt, werd' ich Sie davon in Kenntnis setzen. Ihre Erziehung muß in die Hand genommen werden, sie weiß rein garnichts. Genevièves Großvater, der Vater Niseron, ist einer von den Menschen, die sich lieber den Hals abschneiden ließen, als daß sie lügen; neben einem Schatz würde er Hungers sterben; seine Ansichten verlangen das, und seine Enkelin hat er in solchen Gefühlen erzogen. Die Péchina würde sich für Ihresgleichen halten, denn der Biedermann hat aus ihr, wie er sagt, eine Republikanerin gemacht; genau so,

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