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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Menschen hatte er eine stets gleiche Laune; seine Frau liebte ihn daher ohne Einschränkung. Seit ihrer Ankunft im Pavillon kostete dieser glückliche Ehebund die Süßigkeit der Flitterwochen in Einklang mit der Natur und der Kunst aus, deren Schöpfungen ihn umgaben: ein recht seltener Glücksumstand. Die uns umgebenden Dinge stehen ja nicht immer in Uebereinstimmung mit unserer seelischen Verfassung.
    Dieser Augenblick war so hübsch, daß die Gräfin Blondet und den Abbé Brossette anhielt; denn sie konnten die reizende Madame Michaud sehen, ohne von ihr erblickt zu werden.
    »Wenn ich lustwandle, komme ich immer in diesen Teil des Parks,« sagte sie ganz leise. »Es macht mir Vergnügen, den Pavillon und seine beiden Turteltauben zu betrachten, wie man eine schöne Landschaft gern anschaut.«
    Und sie stützte sich bedeutsam auf Emil Blondets Arm, um ihn an Gefühlen von einer Zartheit teilnehmen zu lassen, welche man nicht auszudrücken vermöchte, die aber Frauen erraten werden.
    »Ich möchte Portier in Les Aigues sein!« antwortete Blondet lächelnd. »Nun, was ist Ihnen?« fuhr er fort, als er einen traurigen Ausdruck sah, den diese Worte auf dem Antlitz der Gräfin hervorgerufen hatten.
    »Nichts.«
    »Wenn Frauen einen inhaltsschweren Gedanken hegen, sagen sie stets heuchlerisch: ›Ich habe nichts.‹«
    »Aber wir können von Gedanken gequält werden, die Ihnen als unbedeutend erscheinen, uns aber schrecklich sind. Auch ich beneide Olympia um ihr Los ...«
    »Gott hört Sie!« sagte Abbé Brossette lächelnd, um diesem Worte seinen ganzen Ernst zu nehmen.
    Madame de Montcornet wurde unruhig, als sie in Olympes Haltung und Antlitz einen Ausdruck von Furcht und Traurigkeit erblickte. Aus der Weise wie eine Frau ihren Faden in jedem Augenblicke verfolgt, errät ein anderes Weib ihre Gedanken. Obwohl sie mit einem hübschen rosa Kleide angetan war, mit bloßem Kopfe und sorgfältig frisiert dasaß, hing die Frau des Oberwächters tatsächlich keinen Gedanken nach, die im Einklang mit ihrem Anzuge, mit dem schönen Tage und mit ihrer Beschäftigung standen. Ihre schöne Stirn, ihr Blick, der sich zeitweise auf den Sand oder das Blättergewirr heftete, die sie nicht sah, zeigten um so unbefangener den Ausdruck einer tiefen Angst, als sie sich nicht beobachtet wußte.
    »Und ich beneidete sie! Was kann ihre Gedanken verdüstern?« sagte die Gräfin zum Pfarrer.
    »Erklären Sie doch, Madame,« erwiderte Abbé Brossette ganz leise, »warum der Mensch inmitten vollkommener Glückseligkeit immer von unbestimmten, aber düsteren Vorahnungen befallen wird?«
    »Pfarrer,« erwiderte Blondet lächelnd, »Sie erlauben sich Kardinalsfragen. ›Nichts wird gestohlen, alles wird bezahlt,‹ hat Napoleon gesagt.«
    »Eine solche Maxime aus dem kaiserlichen Munde nimmt Verhältnisse an, die denen der Gesellschaft gleichen,« antwortete der Abbé.
    »Nun, Olympe, was hast du, mein Kind?« fragte die Gräfin, indem sie sich ihrer ehemaligen Dienerin näherte. »Du scheinst träumerisch, traurig ... sollt' es einen Ehezwist gegeben haben?« Als Madame Michaud sich erhob, hatte sie ihren Gesichtsausdruck bereits gewechselt.
    »Liebes Kind,« sagte Emil Blondet mit väterlichem Tonfall, »ich möchte gern wissen, was Ihre Stirne verdüstern kann, wenn wir in diesem Pavillon sind, wo man beinahe ebenso schön untergebracht ist, wie der Graf von Artois in der Tuilerien? Es sieht hier so aus, als ob Sie in einem Nachtigallenneste im Gebüsche säßen! Haben Sie nicht den bravsten Burschen der jungen Garde als Ehemann, einen schönen Menschen, der Sie zum Närrischwerden liebt? Wenn ich die Vorteile gekannt hätte, die Montcornet Ihnen hier zubilligt, würde ich meine Zeitungsschreiberei an den Nagel gehängt haben, um Hauptwächter hier zu werden!«
    »Das ist keine Stellung für einen Mann Ihrer Begabung,« erwiderte Olympe, Blondet wie einem alten Bekannten zulächelnd.
    »Was hast du denn, meine liebe Kleine?« fragte die Gräfin.
    »Ach, Madame, ich hab' Angst ...«
    »Angst! Wovor?« fragte die Gräfin lebhaft, die sich bei diesem Worte Mouches und Fourchons erinnerte.
    »Furcht vor Wölfen?« fragte Emil, Madame Michaud ein Zeichen gebend, das sie nicht verstand.
    »Nein, Herr, vor den Bauern. Ich, die ich in dem Perche geboren bin, wo es wohl einige böse Menschen gab, glaube nicht, daß es dort so viele und so bösartige Menschen gibt wie hierzulande. Ich will mich gewiß nicht in Michauds Angelegenheiten mischen, aber er

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