T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
er seit Stunden vor sich her geschoben hatte.
Reba meldete sich beim zweiten Klingeln. »Hallo?«
»He.« Er lächelte, als er ihre Stimme hörte. »Wie geht’s?«
»Es ist mir schon besser gegangen.«
»Irgendwelche Anrufe?«
»Nein.« Er sah sie vor sich, wie sie mit gerunzelter Stirn den Kopf schüttelte.
»Hast du ihn gefunden?«, fragte sie.
»Noch nicht«, gab er zu, »aber er ist hier, auf der Insel, das spüre ich. Ich kann es nur nicht beweisen … noch nicht.« Das Problem war, dass Reece die Insel und Sea Cliff kannte wie seine Westentasche. Sobald Dern beweisen konnte, dass der psychopathische Serienmörder sich dort versteckt hielt, würde er die Polizei informieren. Erst dann würde er seiner Mutter Bericht erstatten.
»Ihm darf nichts geschehen!«, flehte sie ihn jetzt an, und Dern wusste, dass er würde lügen müssen. Wieder einmal. Nun, nach jahrelanger Übung wurde langsam ein richtig guter Lügner aus ihm.
»Ich werde mein Bestes tun.«
»Versprich es mir, Austin. Du musst Lester lebend schnappen. Ich möchte nicht, dass ihm etwas zustößt.«
»Ich tue, was ich kann.«
»Versprich es mir!«, beharrte sie. Ihre Stimme wurde lauter, und er stellte sich vor, wie sie in ihrem Rollstuhl saß und besorgt aus dem Fenster blickte. »Wenn ich könnte, würde ich dich begleiten, aber das ist mir nun mal nicht möglich. Deshalb musst du diese Sache für mich tun. Für uns. Für unsere Familie.« Ihre Stimme brach, doch er wusste, dass ihre Augen trocken waren. Ihre Tränen waren schon vor Jahren versiegt.
»Ich verspreche es, Mom«, gab er schließlich nach, obwohl sie beide wussten, dass er sein Versprechen womöglich nicht würde halten können.
»Du darfst auf keinen Fall die Polizei einschalten. Die Detectives … sie würden ihn vielleicht erschießen – das weißt du.«
Sie bezog sich auf seine eigene kurze Karriere als Cop. Trotzdem wusste er, dass auch die Polizei daran interessiert war, Reece lebend zu schnappen und vor Gericht zu bringen. »Ich weiß, dass sie ebenfalls ihr Bestes tun werden.«
»Ach, Austin.« Sie seufzte. »Ich danke dir wirklich sehr für deine Hilfe.« Sie klang so erleichtert, dass es ihm einen kleinen Stich ins Herz versetzte. »Dann mal los! Finde deinen Bruder!«
Er legte auf und verspürte dasselbe Loch in der Seele, das er jedes Mal empfand, wenn er mit ihr sprach. Laut Aussage der Ärzte hatte sie nicht mehr lange zu leben, würde viel zu früh sterben müssen.
Er wusste das.
Sie wusste das.
Reece wusste es auch. Deshalb war er wieder aufgetaucht, hatte die Chance ergriffen und Kontakt zu der Mutter aufgenommen, die er kaum kannte, eine Frau, die sich von seinem reichen Mistkerl von Vater ihren Erstgeborenen hatte wegnehmen lassen. Lester war ein ungestümer Junge von vier Jahren gewesen, als sie ein neues Leben mit einem neuen Mann begonnen hatte, der auch nicht viel besser war als der erste, doch dieser Mann hatte ihren zweiten Sohn gezeugt, den sie Austin genannt hatte, nach der Stadt, in die sie vor Lesters Vater geflüchtet war.
Lester Reece war privilegiert aufgewachsen und hatte eine hervorragende Bildung genossen, doch er hatte unter den Schlägen seines Vaters gelitten, genau wie unter der Reihe von Stiefmüttern, die mehr oder weniger mitschuldig waren an der kriminellen Laufbahn, die er eingeschlagen hatte – zumindest behaupteten das seine Verteidiger vor Gericht.
Dern dagegen war in einer relativ gefestigten, wenngleich armen Familie mit weiteren Geschwistern groß geworden. Sein alter Herr, ein Rancharbeiter, hatte ihn das Handwerk gelehrt, hatte ihm gezeigt, wie er mit Tieren umgehen musste, bevor er sich aus dem Staub machte, als Dern gerade einmal zehn war. Er war ein hart arbeitender Mann gewesen, der gern und oft zur Flasche gegriffen hatte und der mit Pferden besser zurechtzukommen schien als mit Menschen.
Bis heute wusste Dern nicht, was aus ihm geworden war.
Als seine Mutter ein paar Jahre später eine Beziehung mit einem neuen Mann begonnen hatte, war Dern ausgezogen. Nicht viel später, er machte damals seine Militärausbildung in Übersee, hatte er die Wahrheit erfahren. Reba, der man gerade ihre gesundheitlichen Probleme mitgeteilt hatte, hatte ihm einen Brief geschrieben und ihm von ihrer ersten kurzen Ehe und dem Kind, das sie mehr als ein Vierteljahrhundert nicht mehr gesehen hatte, berichtet. Aus diesem Kind war ein Mann geworden, der beschuldigt wurde, seine Ex-Frau und deren Freundin ermordet zu haben, ein
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