T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
Haaren vor sich, die aus ihrem Kopf schossen wie außer Kontrolle geratene Silvesterraketen, obwohl sie Unmengen von Glättmitteln verwendete, um sie zu bändigen. Mit Sicherheit hatte sie jetzt gerade die Finger theatralisch über ihren mehr als drallen Brüsten gespreizt, die so gar nicht zum mageren Rest ihres Körpers passten.
»Es ist alles in Ordnung«, versicherte Ava ihr und warf Virginias breiter Kehrseite einen bösen Blick nach. Die Köchin war bereits auf dem Weg zurück in die Küche.
»Wirklich? Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich aufgeregt habe. Seit Jewel-Annes Anruf stehe ich völlig neben mir. Ich wusste nicht, ob ich dich anrufen soll oder nicht, doch dann sagte ich mir: ›Ava ist deine Nichte, also tu’s einfach, Piper. Du musst doch wissen, wie es dem armen Mädchen geht.‹«
»Es geht mir gut, Tante Piper«, bestätigte Ava noch einmal.
»Ach, das glaube ich nicht.« Piper seufzte. »Nicht nach allem, was du durchgemacht hast. Es geht mich zwar nichts an, aber wäre ich an deiner Stelle, würde ich den alten Kasten verkaufen, von dieser elenden, schroffen Insel fortziehen und ein neues Leben anfangen. Wyatt führt seine Geschäfte ohnehin überwiegend von Seattle aus, weshalb gehst du nicht mit dorthin? Nur um dir immer wieder diese eine schreckliche Nacht vor Augen zu führen? Ich sage dir, Ava, du solltest den Schritt wagen, allein schon deiner geistigen Gesundheit zuliebe. Solange du auf Church Island bleibst, wird dich die Tragödie verfolgen, und das ist nicht gut für dich. Du und Wyatt, ihr solltet ein weiteres Kind bekommen und – ach, jetzt höre ich auf mit meinem Geschwafel. Du willst meinen Rat bestimmt gar nicht hören.«
Amen,
dachte Ava. Ihre Tante kicherte.
»Wie dem auch sei, ich wollte einfach nur deine Stimme hören und wissen, wie du dich fühlst. Jetzt reiche ich dich mal weiter an deinen Onkel. Er hat sich ebenfalls schreckliche Sorgen um dich gemacht!«
Crispin, der Bruder, den Avas Vater um seinen Anteil des Church-Vermögens geprellt hatte? Ava glaubte nicht eine Sekunde, dass es ihn kümmerte, was mit ihr passierte, dem letzten Sprössling seines verhassten Bruders.
»Oh, meine Liebe, ich bekomme gerade einen weiteren Anruf. Wir reden später!«, trällerte Piper und legte auf.
Erleichtert unterbrach auch Ava die Verbindung. Eilig schritt sie durch die Küche und zur Hintertür hinaus, bevor sich womöglich ein weiterer Verwandter meldete. Wer wusste schon, wen Jewel-Anne alles angerufen, wem sie gesimst oder eine E-Mail geschickt hatte? Vielleicht hatte sie die aufregende Kunde sogar via Facebook oder Twitter verbreitet? Ava wollte es gar nicht wissen. Trotzdem, sie würde dringend mit Wyatt reden müssen. Sie war schroff zu ihm gewesen. Um die Wahrheit zu sagen, hatte sie sich in der letzten Zeit ziemlich biestig benommen, war höllisch misstrauisch gewesen, hatte ständig sein Verhalten und seine Beweggründe hinterfragt. Auch er war angespannt gewesen, doch wer konnte ihm das verdenken? Ihre heutige Auseinandersetzung war ein unwiderlegbarer Beweis für den Zustand ihrer Ehe. Vielleicht sollten sie tatsächlich versuchen, noch einmal neu anzufangen … vorausgesetzt, es war nicht zu spät dafür.
Wieder warf sie einen Blick zum Stall hinüber und dachte an den neuen Angestellten, den Wyatt engagiert hatte. Sie musste ihrem Mann vertrauen, bestimmt hatte er den Richtigen für diese Aufgabe ausgewählt.
Eilig sprang sie die Verandatreppe hinunter, umrundete das Haus in Richtung der geschwungenen Auffahrt und ging durch das weit offen stehende schmiedeeiserne Tor. Dort schlug sie den Weg hügelabwärts nach Monroe ein. Das kleine Inselstädtchen lag weniger als einen Kilometer entfernt direkt an der Küste, dort, wo die Bucht am weitesten ins Inselinnere hineinreichte. Bestimmt würde der Spaziergang ihr helfen, einen klaren Kopf zu bekommen und sich aufs Nachdenken zu konzentrieren.
Unbeeinflusst von Medikamenten.
Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und hielt sich dicht am Straßenrand, wo der Schotter bedeckt war mit Moos und Gras. Die Luft war frisch und roch stark nach See. Noch spähte die Sonne hinter den sich immer dichter zusammenballenden Wolken hervor. Weiter westlich, draußen über dem Meer, schwebte eine Nebelbank, die nur darauf zu warten schien, die Insel zu verhüllen. Also genoss Ava den letzten warmen Herbstsonnenschein auf ihrer Haut.
In Monroe angekommen, spazierte sie zum Hafen, vorbei an den vertäuten Booten, in denen
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