Tabu: Roman (German Edition)
Anwesenheit der Prozessbeteiligten fest. Dann fragte er Eschburg nach seinem Namen, seinem Geburtsdatum und seiner letzten Wohnanschrift.
»Wenn es keine Anträge gibt, darf ich die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft bitten, die Anklage zu verlesen«, sagte der Vorsitzende.
Wie fast immer in Schwurgerichtsverfahren war die Anklage kurz. Eschburg solle seine Halbschwester entführt und getötet haben. Ihre Leiche sei nicht aufgefunden worden. Mordmerkmale seien angesichts der besonderen Umstände nicht festzustellen.
Staatsanwältin Landau trug eine weiße Bluse und ein weißes Halstuch unter ihrer Robe. Sie ist eine hübsche Frau, dachte Biegler. Und dann ärgerte er sich über den ganz unpassenden Gedanken.
Der Vorsitzende erklärte, dass die Kammer die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen habe. Dann wandte er sich an Eschburg. Er belehrte ihn über sein Recht zu schweigen. Bis jetzt war alles Routine, die Verhandlung lief ab wie in anderen Verfahren auch.
»Nun haben wir hier eine außergewöhnliche Situation«, sagte der Vorsitzende. »Grundsätzlich ist es das Recht des Angeklagten, sich sofort zur Anklage zu äußern. In diesem Verfahren steht allerdings im Raum, dass dem Angeklagten vor seinem Geständnis von einem Polizeibeamten Folter angedroht wurde. Sollte sich das als wahr herausstellen, wäre sein Geständnis nicht verwertbar. Der Angeklagte könnte sich dann erneut entscheiden, wie er sich verhalten möchte – er könnte schweigen oder aussagen. Die Kammer hat sich daher entschlossen, vor einer eventuellen Aussage des Angeklagten den Polizisten zu hören. Sind die Prozessbeteiligten mit diesem Vorgehen einverstanden oder gibt es Widerspruch?«
Biegler und Landau nickten. Im Zuschauerraum wurde es bei der Erwähnung der Folter unruhig. Die Journalisten hatten Notizblöcke auf ihren Knien und schrieben mit.
Der Polizist, der Eschburg vernommen hatte, trug Anzug und Krawatte. Der Vorsitzende stellte ihm die üblichen Fragen, wie alt er sei, wo er wohne, ob er mit dem Angeklagten verwandt sei. Der Polizist antwortete schnell und routiniert. Er war es gewohnt, vor Gericht auszusagen. Der Vorsitzende belehrte den Polizisten, dass er die Wahrheit sagen müsse. Der Polizist nickte.
»Ich werde nun den Vermerk von Staatsanwältin Landau inhaltlich bekannt geben, er befindet sich auf Blatt 105 im vierten Band der Akten.« Der Vorsitzende wartete, bis die Protokollführerin das aufgeschrieben hatte. Dann sagte er: »Nach diesem Vermerk sollen Sie den Angeklagten in einer Vernehmung bedroht haben. Sie sollen gesagt haben, er sei ein Schwein und ein Vergewaltiger. Sie sollen ihm angedroht haben, ihn zu foltern. Der Angeklagte habe daraufhin ein Verbrechen gestanden. Er habe gesagt, er habe die junge Frau getötet und ihre Leiche verschwinden lassen. Das Geständnis sei nicht vollständig, weil die Staatsanwältin die Vernehmung unterbrochen habe. So weit der Vermerk.«
Der Vorsitzende lehnte sich ein wenig vor und sah den Polizisten direkt an.
»Herr Zeuge, ich möchte von Ihnen wissen, wie sich diese Vernehmung abgespielt hat. Bevor Sie antworten, muss ich Sie jedoch darauf hinweisen, dass Sie die Antwort auf solche Fragen verweigern dürfen, mit deren Beantwortung Sie sich selbst der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen können. In diesem Fall dürfen Sie schweigen. Aber wenn Sie etwas sagen, muss es der Wahrheit entsprechen.«
Der Vorsitzende drehte sich zu der Protokollführerin und diktierte: »Belehrt nach § 55 StPO. « Dann wandte er sich wieder an den Polizisten.
»Ich bin auch der Ansicht, dass Sie hier sogar auf jede Frage zu der Vernehmung schweigen dürfen. Sie könnten sich der Nötigung, der Körperverletzung und wegen anderer Delikte strafbar gemacht haben. Deshalb müssten Sie noch nicht einmal sagen, dass Sie den Angeklagten vernommen haben.«
»Das Recht schützt Sie«, sagte Biegler laut.
»Bitte, Herr Verteidiger, lassen Sie das«, sagte der Vorsitzende. Er wandte sich wieder an den Polizisten. »Frau Staatsanwältin Landau hat dem Gericht mitgeteilt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Sie eingeleitet wurde. Sie können einen Anwalt Ihrer Wahl auch zu dieser Vernehmung als Zeugenbeistand hinzuziehen. Haben Sie das alles genau verstanden?«
Der Polizist nickte.
»Nun, wie wollen Sie es halten?«, fragte der Vorsitzende.
»Ich werde mich nicht äußern«, sagte der Polizist. Seine Stimme war fest.
Staatsanwältin Landau sah von den Akten auf.
Natürlich hat er
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