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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Picknickkorb, eine Flasche Wein und ein Reiseradio mit nach unten. Sie wohnte jetzt seit vier Jahren in Grünerløkka und fühlte sich wohl in diesem Viertel. Ein bisschen Greenwich Village, ein bisschen Karachi, ein bisschen Oslo. Sie blieb eine Weile am Fenster stehen und beobachtete eine Familie, die im Park Würstchen und Steaks grillte. Der verbrannte Geruch drang bis zu ihr nach oben.
    In ihrem Arbeitszimmer (eigentlich ein winziges Kinderzimmer) schaltete sie den Computer ein und überprüfte, ob sie eine E-Mail erhalten hatte. Nichts. Während der letzten Monate hatte sie sich mit einem seltsamen Kauz aus Oxnard in Kalifornien geschrieben.
    Sie ging in die Küche und kochte sich eine große Tasse Tee. Sie hatte die Küche selbst dekoriert, Keramikfliesen über der Arbeitsplatte verlegt. An dem schmalen Wandstück hinter der Tür hatte sie vier Mülleimer mit Rosenmalerei aufgehängt, die sie dekorativ fand. Marcus hatte sie als grüne Fundamentalistin bezeichnet. Er meinte, es sei sinnlos, in Grünerløkka Müll zu sortieren, wenn doch ohnehin alles in dem gleichen gigantischen Container im Hinterhof landete. Er hatte nichts verstanden. Der Punkt war doch, dass sie ihren Teil geleistet hatte.
    Sie balancierte die übervolle Tasse ins Wohnzimmer. Dann suchte sie sich die Joan-Baez-CD heraus, setzte sich den Kopfhörer auf und drehte die Lautstärke hoch. Sie lehnte sich im Sessel zurück und schloss die Augen. Sofort sah sie Marcus vor sich. Er hatte immer in diesem Sessel gesessen. Die nackten Füße auf dem Tisch. Meist mit einem Manuskript auf dem Schoß. Enquist. O’Neill. Das Glas höchstens eine Armlänge entfernt. Sie hatte seinem Blick immer angesehen, wie viel er getrunken hatte. Und ob er Lust auf sie hatte. Was immer der Fall war. Im Tostrupkeller, der Stammkneipe der Journalisten, hatte sie einmal mitbekommen, wie er von Kollegen unter dröhnendem Lachen als Marcus der Verführer bezeichnet wurde.
     
    Marcus war ein Scheißkerl, aber ein charmanter.
    Das Ganze hatte begonnen, als sie ihn eines Abends zu einem Porträt-Interview für die Samstagsausgabe des Dagbladet in der ersten Etage des Continental getroffen hatte. Er hatte die Theaterkritiker und das Publikum mit seiner saloppen Interpretation von Peer Gynt verhext.
    Sie hatte ihre Fragen gestellt, und Marcus hatte geantwortet, wobei er ihr die ganze Zeit über tief in die Augen geblickt hatte. Als der Zeichner fertig war und sich verabschiedet hatte, hatte er sie auf ein Glas Wein bei sich zu Hause eingeladen. Verblüfft hatte sie sich die Einladung annehmen hören.
    Sie konnte noch immer nicht verstehen, was sie an diesem Abend geritten hatte. Hatte er ihr etwas in den Wein getan?
    Es dauerte ein paar Wochen, bis die Kollegen von der Affäre Wind bekamen, und noch zwei weitere Tage, bis auch die Regenbogenpresse davon erfuhr.
    Sie waren beinahe ein Jahr zusammen gewesen. Mehr ein Verhältnis als eine echte Beziehung. Romantische Candle-Light-Dinner mit Rotwein und Musik, lärmende Partys inmitten der Osloer Promiszene und verspielte Nächte und Sonntage im Bett. Dabei waren es die Alltage, die ihr fehlten. Die Zweisamkeit beim Nichtstun. Marcus hatte sich nie darauf verstanden. Er war ein Erlebnis-Junkie. Rastlos. Selbstverliebt. Suchte ständig neue Kicks, neue Menschen. Neue Eroberungen.
    Sie fragte sich, warum sie immer auf Arschlöcher hereinfallen musste.
     
    Sie schlürfte einen Schluck Tee und nahm die Kopfhörer ab. Die Wohnung war still. Nachdem der Hausbesitzer neue Fenster einbauen hatte lassen, hörte sie kaum mehr den Verkehr. Sie blätterte nachdenklich durch die Newsweek , die auf dem Sofatisch lag. Kurz vor zweiundzwanzig Uhr schaltete sie den Fernseher ein und sah sich die Nachrichten an. Ihre Reportage war von Platz eins auf Platz vier gerutscht.
    Anschließend räumte sie das Wohnzimmer auf. Sie langweilte sich. Warum duschte sie nicht einfach, ging ins Bett und las ein Kapitel oder zwei?
    Sie machte das Licht im Badezimmer an, zog sich das T-Shirt aus und warf es in den Wäschekorb.
    Mit müder Miene betrachtete sie sich selbst im Spiegel. Mit jedem Tag, der verging, wartete sie darauf, dass aus den haarfeinen Linien an ihren Mundwinkeln und Augen Falten wurden. Sie hielt ihr Gesicht dicht vor den Spiegel, blinzelte und flüsterte: »Heute auch noch nicht, mein Mädchen.« Sie öffnete den Spiegelschrank, nahm die Schachtel mit der Pille und drückte mit einem Seufzen eine heraus… Seit Marcus hatte sie nicht einmal

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