Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
Vom Netzwerk:
könnte, zumal mit irgendjemandem aus dem Haus, dem Dienstmädchen zum Beispiel.“
    „Und wie hat sie reagiert, was hat sie gesagt?“, platzte es aus Bronstein heraus.
    Cerny ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Er nippte an der Kaffeetasse, schluckte aber die Flüssigkeit nicht gleich hinunter, als käme es darauf an, dass sie erst im Mund das volle Aroma entwickle.
    „Nun“, sagte er dann, „sie wirkte wirklich und ehrlich erstaunt. Sie brauchte eine geraume Weile, um überhaupt eine Replik zu formulieren. Es sei, meinte sie dann endlich, ein offenes Geheimnis, dass ihr Mann recht bald das Interesse an ihr verloren hatte. Doch bislang sei sie eher davon ausgegangen, dass ihr Mann jegliche Begeisterung für die Sexualität eingebüßt hatte. So sei es ihr nie zu Ohren gekommen, dass er sich in zwielichtigen Bars oder, schlimmer noch, in Stundenhotels oder gar Bordellen herumgetrieben hätte. Sie schließe auch aus, dass ihr Mann sich eine Geliebte gehalten habe, denn das widerspräche so gänzlich seinem Naturell, dessen sei sie sich sicher.“
    Wieder nahm Cerny einen Schluck Kaffee, während Bronstein sich beinahe die Finger an der völlig aufgerauchten Zigarette verbrannt hätte. Er dämpfte sie ungelenk aus und zündete sich sofort eine neue an. Mit einer Geste der rechten Hand forderte er Cerny auf, endlich weiterzusprechen.
    „Es schien also, dass wir mit unserer neuen Theorie auf dem Holzweg waren. Dennoch hakte ich nach und fragte dezidiertnach dem Hausmädchen. Frau Alwine kicherte nur amüsiert bei diesem Gedanken. Gleich danach klingelte sie nach der Bediensteten, die auch prompt erschien. Die Herrin des Hauses fragte das arme Ding auf den Kopf zu, ob ihr der Gemahl irgendwann einmal Avancen gemacht habe. Allein schon dieser Satz brachte das gute Mädchen an den Rand einer Ohnmacht, und ebenso worte- wie händeringend wies es auch nur den Anflug eines Gedankens an ein solches Tun derart kategorisch von sich, dass ich ihm eigentlich augenblicklich glaubte. Sie sei noch Jungfrau, betonte die Bedienstete dann, und das könne ihr Arzt gerne bestätigen.“
    „Dienstboten können sich auch schon Frauenärzte leisten? Unser Land macht ja echt Fortschritte. Aber weiter im Text, was geschah dann?“
    „Nachdem also das Dienstmädchen ausschied, fragte ich es auf den Kopf zu, ob es vielleicht bei Demand etwas Diesbezügliches bemerkt habe. Telefonate, Visitkarten, parfümierte Briefe, etwas in der Art, doch das Mädel meinte nur, die Herrschaft sei ihm immer vorgekommen wie ein Mönch. Es habe nie auch nur die kleinste schlüpfrige Bemerkung vom Herrn Demand vernommen, selbst zu seiner eigenen Ehefrau habe er kein Wort verlauten lassen, das in eine Richtung zu deuten gewesen wäre, die ich mit meiner Frage intendiert hätte.“
    „Intendiert? Die hat aber nicht wirklich so geredet, die Waschmamsell, oder?“
    „Nein, natürlich nicht. Ich fasse ja nur das Gespräch zusammen“, schrak Cerny auf. Er war sichtlich irritiert vom Einwurf Bronsteins und brauchte geraume Zeit, bis er den Faden wieder gefunden hatte, und Bronstein sagte sich, es wäre wohl besser, Cerny nicht nochmals zu unterbrechen.
    „Ich fragte natürlich auch die Frau Alwine nochmals, ob es zwischen ihr und ihrem Mann sexuell konnotierte Gespräche gegeben habe. Die Witwe antwortete mir in leicht sarkastischemUnterton, dass es in ihrer Ehe gar nichts gegeben habe, was sexuell konnotiert gewesen sei. Selbst in der Hochzeitsnacht habe der alte Herr Demand darauf verzichtet, die Ehe zu vollziehen.“
    Bronstein vergaß seinen Vorsatz: „Der hat nicht einmal in der Hochzeitsnacht mit ihr …?“
    „Anscheinend nicht. Aber das tut ja nur bedingt zur Sache. Die Frau Alwine erklärte jedenfalls, ihr Mann habe sich wirklich und wahrhaftig von seinen Geschlechts- und Standesgenossen unterschieden. Es gebe weder anstößige Literatur im Haus, noch habe er Derartiges jemals zur Sprache gebracht oder gar körperlich umgesetzt.“
    „Des glaub i net“, entfuhr es Bronstein in breitem Dialekt, „der war ja no net tot, bevor er tot war.“
    „Ehrlich, Oberst, ich habe es ihr auch nicht geglaubt. Ein Mann, der sich so gar nicht für die körperliche Liebe interessiert, der wäre ein Heiliger, und die Heiligen sind bekanntlich mit Savonarola und Giordano Bruno ausgestorben. Aber ich glaubte ihr, dass sie völlig ahnungslos war. Andererseits schien sie so überzeugt davon zu sein, dass ihr Mann nicht in einschlägig beleumundeten Etablissements

Weitere Kostenlose Bücher