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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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verkehrte, dass ich diese Möglichkeit nicht ernsthaft in Betracht zog. Ich gebe zu, an dieser Stelle war ich ratlos.“
    Wieder führte Cerny die Tasse zum Mund. Bronstein fühlte sich an die Fortsetzungsromane in den Zeitungen erinnert, die auch immer an der spannendsten Stelle abbrachen, um mit dem lapidaren „Fortsetzung folgt“ zu schließen. „Na red’ schon“, forderte er Cerny auf, „offensichtlich warst du ja erfolgreich, wen hast du also geschnappt und wie?“
    Cerny setzte die Tasse kurz ab. „Immer mit der Ruhe, Oberst, immer mit der Ruhe.“ Und abermals ein Schluck.
    Als Bronstein knapp davor war, aus der Haut zu fahren, griff Cerny den Erzählfaden wieder auf.
    „Was, wenn der alte Herr Demand den Damenbesuch zu Hause empfing, und zwar stets nur dann, wenn das Dienstmädchen Ausgang und die Frau anderweitige Verpflichtungen hatte? Wenn er selbst die Spuren seines Stelldicheins beseitigte, dann mochte vielleicht tatsächlich niemand Verdacht schöpfen. Zumindest niemand aus seiner eigenen Wohnung. Aber derartiges Treiben entgeht nie allen, und daher galt es zu überlegen, wer solche Amouren beobachtet haben oder wer zumindest von ihnen wissen konnte. Nach kurzem Überlegen kam ich auf die Hausmeisterin.“
    „Die Eva“, entfuhr es Bronstein.
    „Ja genau. Woher weißt du denn ihren Vornamen?“
    „Äh, im Zuge der Vernehmung. Routinekontrolle der Papiere“, stammelte Bronstein.
    Cerny ließ seinen Blick eine kleine Weile auf Bronstein ruhen, entschloss sich dann aber dazu, nicht weiter auf diesem Thema zu insistieren.
    „Ich ging also zur Hausbesorgerwohnung und klopfte an. Wie erhofft war nur die Hausmeisterin da, ihr Gatte war wieder einmal beim Wirten. Hörst, Oberst, warum macht dich der Teil der Geschichte so nervös, zu zitterst ja richtig. Hast vielleicht schon eine Ahnung?“
    „Nix, nervös bin i, weil ich endlich hören will, wen du g’fangt hast.“
    Bronstein irritierte Cernys Grinsen nachhaltig. Wusste er etwas, hatte Eva sich verplappert? „Jetzt red’ schon weiter!“
    Cerny räusperte sich. „Was soll ich dir sagen. So schnell, wie die aufgemacht hat, war die schon die längste Zeit hinter der Tür auf Posten. Umso besser, denk ich mir, wenn die das immer macht, dann weiß sie sicher, ob der alte Demand … und mit wem. Und wie die Tür aufgeht und ich mich vorstellen will, da steht die im Nachthemd da. Einem durchsichtigen noch dazu. Du hast praktisch alles g’sehen. Kein schöner Anblick, kann ich dir sagen.“
    Bronstein unterdrückte mühsam seine Empörung: „Wieso? Die schaut doch eh noch ganz patent aus, die Dame.“
    „Das glaubst aber auch nur du, Oberst. Das hättest du sehen müssen. Die Haut, so weiß wie gestockte Milch, die Brüste der beste Beweis für die Existenz der Schwerkraft. Na und die Krähenfüße, so viele von denen überwintern in Russland nicht, wie in der ihrem Gesicht zu sehen sind.“
    „Cerny, jetzt mach aber einmal einen Punkt. So kann man ja nicht über eine Dame reden. Und schon gar nicht, wenn sie vielleicht eine wichtige Zeugin ist.“
    „Kann man wohl. Vor allem, wenn sich die DAME so an mich heranpirscht. Wirklich widerlich war das. … Und andererseits auch wieder wirklich wichtig.“
    „Wichtig? Wieso denn wichtig? Sag bloß, du bist über sie drüberg’stiegen? Cerny! Du bist verheiratet! Ja Sakrament noch einmal, du wirst doch nicht …“
    Bronsteins Empörung erreichte ungeahnte Intensität. Wer um die näheren Umstände nicht Bescheid wusste, der mochte Bronstein für einen wahren Moralapostel halten, doch ihm selbst war tief im Innersten klar, was ihn so erregte. SEINE Eva hatte ihn betrogen. Noch dazu mit Cerny! Warum musste der immer alles haben? Er war verheiratet, hatte Kinder, ein erfülltes Privatleben, war ein stattlicher Mann von klassischer Schönheit, gebildet, weltgewandt, sportiv, ein echter Mann von Welt. Und jetzt bekam er auch noch eine abgetakelte alte Hausfrau, die sich nie wieder mit einem dicken alten Kieberer abgeben würde, nachdem sie erstmals gesehen hatte, welche Wonnen ihr ein junger Kieberer verschaffen konnte. Es war doch wirklich zum Auswachsen.
    „Aber wo denkst du denn hin, um Himmels Willen. Glaubst, ich betrüge meine Jelena für so eine? Ich betrüge meine Jelena überhaupt nicht. Dazu liebe ich sie viel zu sehr!“
    Auch das noch. Dachte Bronstein. Sagte es aber nicht.
    „Obwohl, Oberst, du denkst anscheinend instinktiv in die richtige Richtung.“
    Wie das?
    „Wie das, wirst du

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