Tacheles
dich wahrscheinlich jetzt fragen. Nun, ich erinnerte mich daran, dass du einmal anmerktest, ein gewisser Typ Frau hätte eine Schwäche für mich, was man im Ermittlungsprozess ruhigen Gewissens einsetzen könnte. Also schluckte ich meine Selbstachtung und meinen Ekel hinunter und bemühte mich um ein Lächeln. Ob ich denn eintreten dürfte, fragte ich artig. Nun, ich durfte. Dabei drehte sich diese Person so, dass mich ihr Busen förmlich anrempelte, als ich in ihre Küche trat. Wie auch immer, sie fragte mich jedenfalls, was ich wissen wolle, und so erkundigte ich mich nach dem Liebesleben des alten Demand. Das habe es gegeben, antwortete sie eilig, doch das Thema an sich sei doch viel spannender zu formulieren, ergänzte sie. Wie es denn mit meinem Liebesleben aussehe? Als ich ihr versicherte, dieses lasse nichts zu wünschen übrig, zog sie, als wäre sie noch fünfzehn, ein Schnoferl und meinte nur, das wäre schade, denn ihr Liebesleben sei leider unter aller Sau. So drückte sie sich aus. Unter aller Sau. Ihr Mann, dieser Versager, kriege ohnehin keinen mehr hoch, und die paar Liebhaber, die sich zu ihr verirrten, seien samt und sonders alte Trottel, die eh gleich abspritzten, wenn sie es überhaupt schafften, sich Zutritt zu ihrer Lustgrotte zu verschaffen. … Es tut mir wirklich leid, Oberst, ich verwende dieses Vokabular alles andere als gern, aber so hat sie sich nun einmal ausgedrückt, die Dame. Was hast denn, ist dir schlecht?“
„Na, na, es geht schon, es ist nur, es ist noch so früh, da sollt ich wohl weniger rauchen.“
„Ja, das könnt sein. Na jedenfalls sagt sie mir, es sei ewig her, dass sie jemand befriedigt hätte, und das sei echt ungerecht, weil sie sei eigentlich noch ganz herzeigbar. Und in dem Augenblick ist sie aufgestanden, und so schnell hab ich gar nichtschauen können, hat sie das Nachthemd ausgezogen gehabt. Ich sage dir, eine Situation, wie sie bizarrer nicht hätte sein können. Ich sitze da und versuche verzweifelt, einen weiteren Stein in unser Mosaik zu bekommen, und auf einmal steht da eine dicke Alte so wie Gott sie schuf vor mir und macht auf Rubensmodell. Ich war natürlich ziemlich verstört.“
Das konnte Bronstein nachvollziehen. Er war es auch.
„Sie wüsste was, fuhr sie fort, von dem sie überzeugt sei, dass es mich interessieren würde. Und wenn ich ein wenig nett zu ihr wäre, dann würde sie mir alles, aber auch wirklich alles sagen, was es zu dem Fall zu sagen gäbe. Na, ich will natürlich nur wissen, ob sie mir was über den alten Demand erzählen kann, und wie sich genau dieser Gedanke in mir breitmacht – das mit dem alten Demand nämlich –, da fällt mir ein beziehungsweise auf, dass sie von den Alten geredet hatte, die es nicht mehr so ganz bringen, und so frage ich sie spontan, ob der alte Demand denn auch Zutritt zu ihrer … Lustgrotte gesucht habe.“
Jetzt war Bronstein in doppelter Hinsicht gespannt – als Kriminalist und als offensichtlich doch nicht so genialer Liebhaber. Er suchte nach einer gelungenen Formulierung, um sein Interesse nicht allzu zweideutig zum Ausdruck zu bringen, doch seiner Kehle entrang sich nur ein „Und?“
„Im ersten Augenblick war sie schockiert. Sie hatte offenbar tatsächlich damit gerechnet, dass ich mich ob ihres Anblicks vergessen würde. Wer weiß, vielleicht funktioniert die Nummer ja wirklich bei irgendwelchen verzweifelten alten Narren. Was ist, Oberst, hast du dich verschluckt? Nix? Na, gut. Jedenfalls überlegte sie sichtlich einen Augenblick, wie sie sich verhalten sollte, doch anscheinend siegte die Lust über den Stolz, denn sie versuchte daraufhin, mich doch weiter aufzureizen, indem sie auf mich zuging, mir ihre Körpermitte förmlich vor das Gesicht und ihr Knie auf meinen Oberschenkel drückte. Dabei kicherte sie richtig blöde und meinte, scheinbar ganzbeiläufig, der alte Trottel habe ernsthaft geglaubt, er sei ihr Liebhaber, nur weil sie ihn ein paar Mal drübergelassen habe. Gelohnt habe sich das aber nicht. Weder sexuell, weil er immer gleich gekommen sei, noch finanziell, weil die paar Geschenke, die er ihr gemacht habe, bei weitem nicht dazu gereicht hätten, den alten B’suff – und damit meinte sie offenbar ihren Mann – endlich loszuwerden. Sie schilderte diesen Umstand übrigens in wesentlich derberen Worten und leider auch ziemlich wortreich, während sie versuchte, meine Haare zu fassen zu kriegen. Ich war eben dabei, sie endlich und unmissverständlich abzuwehren, um sie
Weitere Kostenlose Bücher