Tacheles
Hausmeister, ja kein Mann sei, sondern ein Eunuch. Der alte Demand hat natürlich schreckliche Angst gehabt und wollte den Hausmeister mit Geld beschwichtigen. Demand habe sich angezogen, seine Brieftasche aus dem Sakko geholt und dem Hausmeister hundert Schilling angeboten. Und da seien ihm die Sicherungen durchgebrannt, sagte der Hausmeister. Er habe begonnen, wüst auf Demand, der daraufhin natürlich auf den Gangflüchtete, einzuschlagen, und er habe auch nicht aufgehört, als dieser schon auf dem Boden lag. Im Gegenteil, er sei dann dazu übergegangen, den Wehrlosen mit Tritten zu traktieren. So lange, bis der sich endgültig nicht mehr gerührt habe. Seine Frau sei die ganze Zeit danebengestanden und habe ihn sogar noch angefeuert. Gib’s ihm, dem alten Inkontinenzler, habe sie gerufen, und er, also der Hausmeister, habe sich mit einem Mal wieder jung und stark und schön gefühlt. Mit einem Mal, so der Hausmeister, sei alle Last dieses bedrückenden Lebens von ihm gefallen, und er habe eine gottähnliche Macht verspürt. In seine Tritte habe er all die Jahre gelegt, in denen er vor Leuten wie Demand habe buckeln müssen. Jede Demütigung, jede Erniedrigung sei mit einem Schlag – oder eben deren mehreren – verschwunden. Er habe in diesen Augenblicken das Empfinden gehabt, er vergelte Gleiches mit Gleichem, und so habe er auch nicht mit den Schlägen aufgehört, als der alte Demand schon sehr lange kein Wimmern mehr von sich gab. Von dem Widersacher habe er mithin erst abgelassen, als er zu müde gewesen sei, um noch die Kraft für einen weiteren Tritt aufzubringen. Damit hätte es vielleicht sein Bewenden gehabt, erzählte der Hausmeister dann weiter, denn er sei hundemüde gewesen und habe nur noch ins Bett gewollt. Doch seine Frau habe ihm keine Ruhe gegeben. Sie sei ganz aufgeregt gewesen und habe gemeint, der alte Demand müsse in jedem Fall ganz totgemacht werden, weil sonst die Konsequenzen fürchterlich wären. Also sei er, der Hausmeister natürlich, noch einmal auf den Flur getreten und habe überprüfen wollen, ob der alte Demand noch lebe, doch zu diesem Zeitpunkt sei der Tod schon eingetreten gewesen. Er sei Soldat gewesen, er kenne sich aus, wenn jemand tot sei. Er habe den Puls Demands gefühlt – und zwar am Hals – und da sei nichts mehr gewesen. Im Übrigen habe er zuvor ein wenig getrunken gehabt, und so habe er sich danach einfach ins Bett gelegt, um auszuschlafen. Doch wiedersei es seine Frau gewesen, die ihm keine Ruhe gelassen habe. Er brauche in jedem Fall ein Alibi, denn der Tod eines Demand werfe sicher Fragen auf, und so habe sie ihn überredet, trotz seines Zustandes ins Wirtshaus zurückzukehren, und dort habe er dann wirklich, wie er es uns am Anfang der Ermittlungen gegenüber behauptet habe, bis in den Morgen Karten gespielt. Außerdem habe ich seine Schuhe konfisziert und zur Spurensicherung bringen lassen. Die Blutspuren, die sich darauf befinden, konnte ich mit freiem Auge klar erkennen. Da werden die Bazi von der Spurensicherung leichtes Spiel haben, dessen bin ich mir sicher.“
Bronstein blies Luft aus und sackte in sich zusammen. „Na servas“, sagte er dann. „Und das alles in einer Nacht.“
Cerny nickte bedächtig: „Das alles in einer Nacht. Als er sein Geständnis unterschrieben hatte, rief ich dich gleich an. Die Formalitäten sind erledigt. Wenn du nichts mehr von ihm wissen willst, dann können wir ihn auf die Elisabethpromenade kutschieren lassen.“
Bronstein schüttelte langsam den Kopf: „Nein, ich will nichts mehr wissen. Schick ihn nur hin. Der Fall ist erledigt. Schreiben wir den Bericht, und um alles andere soll sich dann das Gericht kümmern.“
Cerny schien zu zögern: „Was meinst du, wie sollen wir die Rolle der Hausmeisterin einschätzen? Sie käme als Beitragstäterin in Frage.“
„Verhören sollten wir sie vielleicht“, räumte Bronstein ein, „aber ich denke, das überlassen wir der Staatsanwaltschaft, da sollten wir uns gar nicht weiter einmischen.“
Eine unbeschreibliche Müdigkeit machte sich in ihm breit. Er sah Cerny an und fühlte sich noch älter als er ohnehin war. Draußen begannen die Vögel zu zwitschern, und ganz fein zeichneten sich die Konturen der Häuser auf der anderen Straßenseite ab. Es sprach einiges dafür, dass es ein schöner Tagwerden würde, aber Bronstein war sich ziemlich sicher, dass er davon recht wenig merken würde. „Jetzt könnte ich doch noch einen Kaffee vertragen“, sagte er dann. „Wie
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