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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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werde der Polizei daher jederzeit zur Verfügung stehen. Die beiden Beamten verabschiedeten sich und machten sich sodann an die letzte Befragung. Sie klopften bei Siegfried Demand.
    Ohne Umschweife wurde ihnen von einem etwas weltfremd wirkenden Jüngling geöffnet, dessen Kleidung krass mit jener seines Bruders kontrastierte. Der Mann trug anthrazitgraue Flanellhosen, ein grobes Leinenhemd in undefinierbarem Violett sowie eine hubertusgrüne Strickweste. Sein Haar war kurz und dunkel, und auf der Nase trug er eine unscheinbare Nickelbrille.
    „Herr Siegfried Demand?“
    „Samuel, wenn’s recht ist. Ich weiß, in meiner Geburtsurkunde steht Siegfried, aber das war meines Vaters Wille, nicht meiner. Ich stehe zu unserer Herkunft.“
    „Wie auch immer. Wir sind von der Polizei und hätten einige Fragen an Sie. Dürfen wir hereinkommen?“
    Nachdem die beiden Beamten auch Siegfried Demand über die Ereignisse in Kenntnis gesetzt hatten, fragten sie abermals nach persönlichen Daten.
    „Ich bin am 25. November 1906 in Wien geboren und somit exakt einen Tag jünger als meine Stiefmutter. Wie mein Bruder vor mir kam ich nach der Volksschule ins Gymnasium zu den Schotten, wo ich im Juni 1925 maturiert habe. Ich begann im Herbst selbigen Jahres mein Studium der Germanistik und Philosophie und promovierte im Jänner 1930 mit einer Arbeitüber Lessings bürgerliches Trauerspiel. Seitdem arbeite ich als Privatgelehrter und bin seit dem Sommersemester 1932 auch als Privatdozent an der Universität tätig. Ich arbeite an meiner Habilitation, müssen Sie wissen, doch das ist derzeit nicht so einfach, vor allem nicht, wenn man sich, so wie ich, auf die Geschichte der jüdischen Literatur spezialisiert hat. Noch bin ich aber zuversichtlich. Die Österreicher sind ja zum Glück keine solchen Fanatiker wie die Deutschen, hier wird alles etwas gemütlicher abgehen.“
    „Sind Sie verheiratet, Herr Demand?“
    „Ja, und Vater einer Tochter. Ich habe meine Frau Tessa, geborene Sperber, auf der Universität kennengelernt, wo sie gleich mir Philosophie studierte. Sie wurde zwar in Brünn geboren, lebt aber seit 1918 in Wien. Nach meiner Promotion haben wir im Mai 1930 geheiratet, und im Mai 1932 kam unsere über alles geliebte Tochter Rahel zur Welt. Leider muss ich Ihnen meine Tochter derzeit vorenthalten, sie ist über das Wochenende mit ihrer Mutter zu Besuch bei ihrer Großmutter in Hadersdorf.“
    „Das heißt, Sie waren diese Nacht allein?“
    „Ich fürchte. Verdächtigen Sie jetzt mich der Tat?“
    „Mitnichten. Wären Sie verdächtig, hätten Sie uns sicherlich ein weit besseres Alibi präsentiert“, lächelte Bronstein.
    „Haben Sie eine Ahnung, wie es nun in der Firma Ihres verewigten Vaters weitergehen wird?“ Erstmals meldete sich nun auch Cerny zu Wort.
    „Natürlich nicht. Um derlei Dinge habe ich mich nie gekümmert. Das hat immer das Triumvirat entschieden und ...“
    „Triumvirat?“
    „Na mein Vater, mein Bruder und Franz Holzer, der Prokurist. Bei dem sind immer alle Fäden zusammengelaufen. Früher war auch noch der Friedrich Podlaha involviert, der seit 1920 als Betriebsratsobmann wirkte, doch wie Sie sich vorstellenkönnen, war dessen Rolle schon seit geraumer Zeit ausgespielt. Mein Vater hat ihn auch gleich am 12. Februar fristlos entlassen. Ich weiß gar nicht, was aus dem geworden ist, aus dem Podlaha. War eigentlich ein netter Mensch, sehr umgänglich. Hat mir früher öfter einmal eine Kleinigkeit geschenkt, wenn ich auf Besuch in der Firma war. Der Podlaha hat ja schon zur Zeit meines Großvaters dort gearbeitet.“
    „Er war sicher verbittert, nach so langer Zeit einfach hinausgeworfen zu werden“, hakte Bronstein nach.
    „Bitte schön, das weiß ich nicht. Aber es wäre ihm kaum zu verübeln, wenn es so wäre, oder nicht?“
    „Wissen Sie, wo wir Holzer und Podlaha antreffen können?“ erkundigte sich Cerny.
    „Der Holzer ist sicher jeden Tag in der Firma. Der lebt ja fast dort. Was aber den Podlaha anbelangt, wie gesagt, ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Vielleicht kennt man in der Firma seine Wohnadresse.“
    Bronstein warf einen Blick auf seine Uhr und dann auf Cerny. „Ich denke, Herr Demand, das war vorläufig alles. Wenn wir noch etwas von Ihnen benötigen sollten …“
    „… finden Sie mich jederzeit hier. Ich verlasse die Wohnung höchst ungern, und wenn, dann nur auf einen Sprung. Ich stehe Ihnen also jederzeit zu Diensten.“
    „Wofür wir uns schon jetzt herzlich

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