Tacheles
verschlimmern. Bronstein ahnte, wen sich Skubl als Täter wünschte, doch er war fest entschlossen, sich nicht vom bewährten Konzept der Ermittlungen abbringen zu lassen. Er würde jeder Spur nachgehen, ohne Ansehen der darin involvierten Personen. Die polizeiliche Ermittlungsarbeit war eine exakte Wissenschaft, und Wissenschaft war bekanntlich leidenschaftslos. Unwillkürlichstolperte Bronstein über seinen letzten Gedanken. Leidenschaftslos? War er wirklich ohne jede Leidenschaft, zumal in dieser Angelegenheit? Was würde er tun, wenn sich der Verdacht in Richtung Alwine Demand erhärten sollte? Würde er da auch jedes Gefühl unterdrücken können? Oder wäre er nicht schon geschockt, wenn sich herausstellte, dass sie einen Geliebten hatte?
„Wie bitte?“
Bronstein war aus seinen Grübeleien aufgeschreckt. Skubl hatte offensichtlich eine Frage an ihn gerichtet, während er in Gedanken ganz bei Alwine gewesen war.
„Ob Sie mehr Personal brauchen, hab ich gefragt. Sind S’ schwerhörig, Bronstein?“ Skubl verbarg seinen Ärger über die geringe Aufmerksamkeit des Subalternen nicht.
„Vorläufig nicht, Herr Vizepräsident. Der Kollege Cerny wird sich mit der Finanz kurzschließen, denn wir werden uns die Konten der Demand’schen Firma ansehen müssen, und mit einer Bilanz kennen wir uns ja nicht so aus, das werden wir also amtshilfig erledigen. Die erste Runde der Vernehmungen ist so weit abgeschlossen, und wenn wir irgendwelche richterlichen Anordnungen benötigen, einen Hausdurchsuchungsbefehl oder dergleichen, dann halten wir uns natürlich wie gehabt an den Dienstweg.“
Skubl schien durch die prompte und präzise Antwort Bronsteins wieder halbwegs versöhnt. „Gut, meine Herren, dann wieder frisch ans Werk. Je schneller Ergebnisse vorliegen, umso besser für uns alle. Halten Sie mich auf dem Laufenden und tun Sie Ihre Pflicht.“ Jetzt erst besann sich Skubl, dass dieser Satz eigentlich von Seydel hätte gesprochen werden müssen. Eilig wandte er sich dem Präsidenten zu: „Das ist doch ganz in Ihrem Sinne, Herr Präsident, oder nicht? Sie werden sich ja nicht mit den Details belästigen lassen wollen, und sobald genauere Informationen vorliegen und sich ein klareres Bildergibt, werde ich Ihnen persönlich ausführlich Bericht erstatten. Ist Ihnen das recht, Herr Präsident?“ Damit meinte Skubl, den Präsidenten wieder einigermaßen beschwichtigt zu haben. Doch dem schien gar aufgefallen zu sein, dass er eben brüskiert worden war.
„Ich glaube … schon“, sagte er denn auch etwas zögernd.
„Gut“, meinte nun wieder Skubl, „dann ist ja alles gesagt. Meine Herren!“ Er erhob sich, Bronstein und Cerny taten es ihm gleich. Seydel blieb sitzen und blinzelte unsicher auf die anderen drei. Skubl deutete eine Verbeugung in Richtung Seydels an, sagte „Herr Präsident!“ und nickte dann Bronstein und Cerny zu. Für ihn war die Besprechung zu Ende, und auch für die beiden Ermittler gab es im Büro des Präsidenten nichts mehr zu wollen. Sie verabschiedeten sich gleichfalls und begaben sich zurück in ihr Amtszimmer.
„Was hat jetzt oberste Priorität, lieber Cerny?“, fragte Bronstein, als sie an ihrer Tür angelangt waren. Cerny lächelte: „Kaffee!“
„Richtig. Leitest du das in die Wege?“
„Aber sicher.“
Cerny hatte eine gute Weile darauf gewartet, dass Bronstein von sich aus sagen würde, wie es seiner Meinung nach weitergehen sollte. Doch Bronstein schlürfte nur schweigend seinen Kaffee und schien ganz in Gedanken versunken. Endlich ergriff Cerny selbst die Initiative. „Also ich ruf jetzt amal die Finanzer an und mach mir einen Termin mit denen aus. Dann hol ich mir einen Beschluss, damit wir an die Konten können. Ist das in Ordnung so?“
Bronstein sah kurz auf, zögerte einen Moment und sagte dann nur: „Ja, ja.“
Da Cerny aber keine Anstalten machte, sich zu erheben, kam es Bronstein allmählich zu Bewusstsein, dass dieser mehr von ihm erwartete als eine bloße Zustimmung zu den eigenenPlänen. Bronstein räusperte sich also, griff nach einer weiteren „Donau“ und meinte dann, er werde noch einmal in Demands Wohnhaus gehen, um sich dort unter den Hausparteien ein zweites Mal umzuhören. „Die familiären Verhältnisse sind in der Tat eine genauere Überprüfung wert. Vielleicht hast du ja Recht mit der These, die Demand hätte einen Liebhaber. Möglich ist es immerhin. Sie ist jung, sie ist schön, und der alte Demand war sicherlich in dieser Hinsicht kein
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