Tacheles
Renommee.“
„Gut. Wann treffen wir uns wieder?“
„Na ja, jetzt ist es zehn Uhr vorbei, ich werd noch ein wenig Papierkram erledigen, dann geh ich zu Tisch, und am Nachmittag schau ich dort vorbei. Wenn du was ganz Wichtiges herausgefunden hast, dann sag im Herrenhof Bescheid, ansonsten machen wir morgen um acht Uhr dreißig Lagebesprechung.“
„Passt.“
„Dann bis morgen. Schönen Tag noch.“ Bronstein schlug einen Aktendeckel auf und begann eifrig zu lesen, während sich Cerny anschickte, der Finanzabteilung einen Besuch abzustatten. Kaum hatte der die Tür hinter sich geschlossen, blies Bronstein demonstrativ Luft aus und klappte die Akte wieder zu. Das war wieder ein Tag. Und noch über eine Stunde bis zur Mittagspause.
Je länger er über den Fall nachdachte, umso mehr musste er sich eingestehen, dass er nicht objektiv an ihn herangehen konnte. Die Vorstellung, Alwine Demand könnte tatsächlich in das Verbrechen verwickelt sein, verursachte ihm Magenkrämpfe. Ja, es war schon die Annahme schlimm genug, sie könnte einen Liebhaber haben. Vor allem, wer mochte das sein? Ein mondäner Tennislehrer? Ein exaltierter Künstler wie der Maler, den sie so eifrig in Schutz genommen hatte? Ein staubtrockener Buchhalter? Es war sicher nicht angenehm, die Frau eines alten Despoten zu sein, doch musste man deshalb gleich jeden Anstand und jede Moral fahren lassen? Er dachtean die großen, unschuldigen Rehaugen der Demand und fand, es war ausgeschlossen, dass so ein feenartiges Wesen wirklich so prosaisch war, Unzucht zu treiben.
Doch mit Mutmaßungen würde er niemals die Wahrheit erfahren. Wie er es auch drehte und wendete, am Ende des Tages blieb ihm nur, der Sache auf den Grund zu gehen. Und das am besten sofort – sofort nach dem Mittagessen.
Obwohl es erst kurz nach elf Uhr war, machte sich Bronstein auf den Weg ins „Herrenhof“. Er nahm dort an seinem Stammtisch Platz und studierte in aller Ruhe die Speisekarte. Es entging ihm dabei nicht, dass sich der Kellner ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Jeder im „Herrenhof“ kannte mittlerweile Bronsteins Ritual. Stets ging er die Speisekarte aufmerksam durch, um dann doch das jeweilige Tagesmenü zu bestellen. Diesmal kredenzte man ihm Fleischknödel mit Sauerkraut, die er mit großem Genuss verspeiste. Danach gönnte er sich noch einen großen Braunen, rauchte dazu gemütlich zwei weitere „Donau“, ehe er endlich daranging, den Judenplatz anzusteuern.
Unterwegs hatte er sich überlegt, wen er am besten auf diese delikate Angelegenheit ansprach. Die beiden älteren Herrschaften schieden für ihn aus. Am besten, so dachte er sich schließlich, war es, einmal mit dem Hausmeister zu beginnen. Der war selbst sicher kein Kandidat für eine allfällige Liebschaft, sodass er als objektiver Zeuge in Frage kam. Und wenn der nichts wusste, dann konnte man vielleicht auch die werten Söhne befragen. Nicht, dass die beiden sonderlich glaubwürdig sein würden, aber jeder Auskunft konnte man etwas abgewinnen, man musste sie nur richtig einzuordnen wissen.
Bronstein hatte das Haus erreicht. Er trat ein, wandte sich der Hausbesorgerwohnung zu und klopfte an. Eine verlebte Mittvierzigerin öffnete ihm die Tür.
„Wos woin S’?“
„Den Hausmeister sprechen.“
„Der liegt beim Wirt’n unter’m Tisch.“
„Und woher wissen Sie das so genau?“
„Wäu er mei Oida is.“
„Ah, ich verstehe.“
Bronstein kam eine Idee. Der Hausmeister verbrachte offenkundig die meiste Zeit des Tages im Wirtshaus, und um seinen Beruf kümmerte er sich wohl bestenfalls in überaus oberflächlicher Weise. In Wahrheit dürfte also seine Frau die wirkliche Hüterin des Hauses sein, und als solche würde sie wohl ohnehin mehr von den Dingen wissen, die in diesem Gebäude so vor sich gingen. Wenn er sich also von seiner charmanten Seite zeigte, mochte die Dame ihm so einiges anvertrauen, was sich bei seinen Ermittlungen als nützlich erweisen konnte.
„Sagen Sie, gnä’ Frau, ich bräuchte da einige Informationen über die Hausbewohner. Könnten Sie mir da vielleicht behilflich sein? Dann bräuchten wir den Herrn Gemahl nicht zu bemühen.“
„Wer san Se überhaupt?“
„Oh, ja, richtig, hab ich ganz vergessen. Oberst Bronstein von der Polizeidirektion Wien. Ich ermittle im Mordfall Demand.“
„Mit an Kieberer red’ i nix.“
„Aber gnädige Frau, so dürfen S’ das nicht sehen. Ich tappe völlig im Dunkeln, und nur jemand, der Augen und Ohren
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