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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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der Ansicht, es gebe noch etwas zu besprechen, und so waren die beiden Ermittler vorerst entlassen. Draußen sah Bronstein auf die Uhr: „Jetzt ist es aber wirklich Zeit fürs Mittagessen.“
    Cerny war den ganzen Weg zum Lokal schweigend neben Bronstein hergestapft, doch nachdem sie ihre Bestellungen abgegeben hatten, hielt er es nicht länger aus: „Wieso lässt du ihm eigentlich alles durchgehen, Oberst? Die These mit den Roten ist doch völlig abwegig. Willst du wirklich in diese Richtung ermitteln?“
    „Natürlich nicht. Aber wieso sollt ich ihm das auf die Nase binden?“
    „Weil er wirklich an den Unsinn glaubt, den er da verzapft. Und wenn wir dann den wirklichen Täter gefunden haben, wird er ihn nicht akzeptieren, weil das nicht in seine Vorstellung vom Tathergang passt.“
    „Glaub mir, dem ist das wurscht. Der will nur Ergebnisse, und das so schnell wie möglich. Hauptsache, das Resultat ist dazu angetan, ihn zu befördern. Alles andere ist da zweitrangig.“
    „Na, ich hoffe, du hast Recht. Weil ich verbieg nämlich die Ermittlungsergebnisse nicht für irgendeine politische Ranküne. Da kannst Gift drauf nehmen.“
    „Schau’ ma amal“, begütigte ihn Bronstein, „aber zuerst lass uns was essen, weil bei der Leich werden wir uns eh die Füß’ in den Bauch stehen.“
    Dankbar sah Bronstein der Suppe entgegen, die der Kellner eben gebracht hatte. Der Mann schnappte den Henkel des Zinngefäßes und goss den Inhalt langsam auf den vor Bronstein stehenden Porzellanteller. Zuletzt plumpste der Leberknödel in die Rindsuppe, und Bronstein griff eilig zum Löffel, um seinem Magen endlich Nahrung zuzuführen.
    „Was erwarten wir uns jetzt wirklich von unserer Teilnahme an dem Begräbnis?“ Cernys Frage ließ Bronstein in seiner Nahrungsaufnahme innehalten. Musste Cerny selbst beim Mittagessen noch so dienstlich sein? Konnte er nicht wenigstens für einen Moment sein Pflichtbewusstsein vergessen?
    „Was weiß ich? Manchmal muss man einfach schauen, was passiert. Vielleicht passiert auch nichts. Aber dann wissen wir’s wenigstens.“ Der Tonfall, in dem Bronstein diese Antwort gegeben hatte, ließ unzweifelhaft seinen Unmut erkennen. Cerny verstand den Wink und aß seine Suppe schweigend.
    Doch sein Schweigen war auch nicht nach Bronsteins Sinn. Warum konnte man sich nicht einfach gepflegt unterhalten? Es gab genug Themen, die man ansprechen konnte, ohne immer gleich dienstlich zu sein. Doch Cerny, so fürchtete er, würde das nie begreifen. Dennoch gab Bronstein die Hoffnung nicht auf.
    „Was sagst zu Rapid? Werden sie’s schaffen?“
    „Was schaffen?“ Cerny wirkte ehrlich erstaunt.
    „Na gegen Bologna zu gewinnen?“
    „Wovon sprichst du, Oberst?“
    „Sag bloß, du weißt nicht, dass Rapid am Wochenende im europäischen Pokalbewerb engagiert ist?“
    „Du weißt, Oberst, dass ich mir aus Fußball nicht so viel mach. Ich begeistere mich für andere Sportarten.“
    „Ja, ja“, sagte Bronstein resigniert, „Fechten und Turnen, ich weiß.“
    Und wieder dehnte sich eine Pause zwischen den beiden. Sie hatten ihre Suppen aufgegessen und warteten nun auf den Hauptgang. Die schwarze Tafel beim Eingang hatte Rindsbraten angekündigt, und noch ehe Bronstein nach seinem Zigarettenetui hatte greifen können, platzierte der Ober schon die zwei Menüschalen vor den beiden Männern. Die linke, größere Hälfte enthielt ein Rindsschnitzel, das in einer Sauce schwamm, die rechte, kleinere, Spiralnudeln. Cerny griff kurz entschlossen nach der Gabel und begann damit, die Teigwaren in die Sauce zu schaufeln. Bronstein beobachtete dieses Tun und kam dabei zu dem Schluss, dass die Nudeln so wohl wirklich besser schmecken würden, da sie den Geschmack der Sauce aufnehmen würden.
    Er tat es also Cerny gleich und genoss die so entstandene Geschmackssteigerung in vollen Zügen. Und doch konnte es ihm nicht entgehen, dass Cerny immer noch darauf drängte, Skubls Auftritt zu kommentieren. Kaum hatte Bronstein die letzte Nudel verspeist und sich eine „Donau“ angezündet, lehnte er sich also zurück, sah Cerny an und meinte endlich: „Also schieß schon los. Was brennt dir so auf der Zunge, dass du es unbedingt loswerden musst?“
    „Das mit den Roten ist doch Humbug. Das passt überhaupt nicht zu denen, und das weißt du ganz genau. Die lehnen jede Form von individuellem Terrorismus strikt ab, deswegen sind sie sich ja dauernd mit den Anarchisten in den Haaren gelegen. Kein Roter würde irgendeinen

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