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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Beinen auf den Kopf. Ein Wunder, dass der andere das überlebt hat. Kotzler dürfte so seine eigene Methode haben, scheint es, und die qualifiziert ihn, wie ich meine, eindeutig als Verdächtigen in unserem Fall.“
    „Ja, dafür scheint einiges zu sprechen. Wenn wir einmal davon ausgehen, dass der alte Demand nicht von seinem Sohn oder seiner zweiten Ehefrau, sondern von Holzer in die Mangel genommen wurde, dann könnte es gut sein, dass der seine Politkameraden auf ihn angesetzt hat.“
    „Es könnte aber auch sein“, schränkte Cerny ein, „dass sich der Juniorchef an die beiden gewandt hat. Sie könnten sich durch die Firma durchaus gut kennen, und das Vorleben Kotzlers sollte einem Chef eigentlich bekannt sein.“
    „Und genauso ist es auch möglich, dass der junge Demand in dieser Angelegenheit mit Holzer an einem Strang gezogen hat. Der junge wollte den alten Demand los sein und hat sich an den Holzer gewandt, der ja auch ein gewisses Interesse daran haben musste, dass sich in der Firma etwas ändert, wenn die Hinweise, die wir bis jetzt erhalten haben, stimmen, und so konnte es dann Holzer gewesen sein, der den jungen Demand an Kotzler und Murer verwies.“
    „Womit wir wieder am Anfang stünden“, meinte Cerny lapidar, „Hypothesen, nichts als Hypothesen.“ Sein eben noch an den Tag gelegter Enthusiasmus erlahmte sichtlich.
    „Schauen wir einmal, wer aller zum Begräbnis geht. Aber zuerst ist einmal Essen angesagt, würde ich sagen.“ Bronstein blickte erwartungsvoll.
    „Dafür ist es wohl leider noch etwas zu früh.“
    „Meinst du?“
    „Ich fürchte, es ist gerade einmal zehn.“
    Auf Bronsteins Gesicht machte sich Enttäuschung breit. Aber Cerny hatte Recht. Wieso war er dann schon so hungrig? Ob er sich vielleicht ausnahmsweise eine kleine Jause genehmigen durfte? Bronstein dachte an die Kantine. Besser nicht.
    Also widmete er sich wieder dem Aktenstudium. Doch er merkte, wie wenig er bei der Sache war. Einerseits verspürte er nagenden Hunger, andererseits schoss ihm plötzlich wiederEva in den Sinn. Es war schon merkwürdig, sagte er sich. Diese Frau hätte ihn an sich gar nicht interessiert. Weder sah sie sonderlich attraktiv aus, noch gab es da irgendwelche Gemeinsamkeiten, auf denen man hätte aufbauen können. Ja, Bronstein gestand sich ein, dass er sich nach Eva wohl nie umgedreht hätte, wäre sie ihm auf der Straße entgegengekommen. Und er hätte sie wohl auch nicht näher in Augenschein genommen, wenn sie wie er in einem Kaffeehaus gesessen wäre. Jetzt aber lagen die Dinge anders. Seit sie sich ihm hingegeben, seit sie ihm gezeigt hatte, wie prickelnd und aufregend die körperliche Liebe mit ihr sein konnte, war ein Bedürfnis in ihm geweckt, das nun ungestillt in ihm rumorte und dazu führte, dass er sich beständig nach einem Dakapo verzehrte. Und je länger das Erlebnis selbst in die Vergangenheit entglitt, umso mehr fühlte Bronstein wieder diese offene Wunde, die bis zu der Begegnung mit Eva in wahren Strömen geblutet hatte. Die dünne Kruste, die sich durch dieses einmalige Erlebnis gebildet hatte, begann nun immer brüchiger zu werden, die Wunde nässte, und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder von Neuem aufbrechen würde.
    Dies umso mehr, als er ja nicht einfach zu Eva hingehen und sagen konnte, dass er sich eine zweite Runde wünschte. Und sie würde sich schon gar nicht bei ihm melden, immerhin war sie eine, wenn auch gelangweilte, so doch verheiratete Frau. Und je länger Bronstein in sich hineinhörte, umso klarer sah er sein eigentliches Problem in dieser Angelegenheit. Eva war eine begnadete Liebhaberin gewesen, aber sie hatte diese hervorragenden Leistungen nicht um seinetwillen erbracht, sondern aus dem Überdruss heraus, den ihr langweiliges Alltagsleben kontinuierlich produzierte. Es wäre ihr egal gewesen, an wem sie ihre amourösen Künste erprobte. Er, Bronstein, war eine Nummer, irgendwo zwischen dem Hausmeister, dem Malermeister und dem Gemüsehändler von nebenan. Und bestimmt dachteEva schon längst keine Minute mehr an ihn. Sie hatte ihn konsumiert. Wie man einen Apfel konsumiert oder ein Krügel Bier. An die denkt man auch nicht mehr, wenn sie einmal verputzt sind. Wenn man dann wieder Hunger oder Durst empfindet, macht man sich auf, neue Quellen zu erschließen, ohne an die alten auch nur den geringsten Gedanken zu verschwenden. Konnte er sich denn noch daran erinnern, was er gestern zu Mittag gegessen hatte? Nein! Eben. Er, Bronstein, war

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