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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Vertreter der Ordnungsmacht, und dann konnte er nicht einmal einem primitiven Schläger Einhalt gebieten. Dieser ungehobelte Kerl prügelte auf ihn ein, und er lag nur da wie … wie eine Leiche!
    Mit einem Mal geriet Bronstein in Panik. So musste sich Demand gefühlt haben, ehe er gestorben war. Wahrscheinlichhatte sich der auch gedacht, jetzt werde er ziemlich verprügelt. Doch die Täter hatten nicht aufgehört, auf ihn einzudreschen, bis er tot war. Und was hielt Murer davon ab, mit ihm, Bronstein, dasselbe anzustellen? Jetzt war er sicher, dass er pinkelte. Und wieder landete Murers Schuhwerk in Bronsteins Seite.
    „Ihr Scheißer glaubts, ihr könnts ois mit uns machen. Hinterlandstachinierer ihr! Wir hab’n uns den Oasch fia eich wegschiaßen lassen miass’n, und ihr raffts dawäu eicher Kapital an euch, ihr artfremdes G’sindel. Jetzt bist nimmer so groß, du Kiwara, ha? Jetzt hot si’s ausschmarotzt, du Ostsau. Warst in dein Stetl blieb’n und hättst weiter bei die Russen g’wuchert. Aber na, du muasst ja unbedingt do her kommen und den großen Machatschek spiel’n. Waaßt wos, Itzig? Du kannst ma’n Hobel ausblos’n!“
    Und wieder trat Murer gegen den Wehrlosen. Er schien alle Zeit der Welt zu haben, und wiewohl es noch nicht einmal elf Uhr abends war, kam weit und breit niemand daher, von dem Bronstein sich hätte Hilfe erwarten können.
    „Euer Scheißsystem, das foat jetzt zur Hölle. Und du wirst mit ihm foan, des sog’ i da.“
    Bronstein wollte etwas erwidern, wollte durch Reden wieder in die Situation hineinfinden, doch seine Stimmbänder gehorchten ihm nicht. Alles, was aus seinem Mund kam, war ein erschreckendes Gurgeln.
    „Die Schuach hast ma wegg’nommen, du Sau. Meine anzigen Schuach. Borgen hob i ma wöche miassn, wegen dir, du Krepierl! I reiß da den Oasch auf, du Judensau!“ Bronstein hörte einen Knochen knacken, doch er konnte nicht eruieren, um welchen es sich handelte. Er bekam keine Luft mehr, und das einzige Gefühl, zu dem er noch fähig war, war diese allumfassende Angst vor dem Sterben. Sein Leben durfte einfach nicht enden! Nicht jetzt! Nicht so! Es durfte nicht alles aus sein. Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt vonirgendwo ein Lichtlein her, dachte Bronstein, ehe er sich abrupt und heftig übergeben musste. Es gelang ihm gerade noch, den Kopf so zur Seite zu drehen, dass er nicht sein eigenes Erbrochenes ins Gesicht bekam, dann fühlte er, wie die Ohnmacht von ihm Besitz ergriff. Wenn du jetzt wegdämmerst, dann bist du tot, versuchte Bronstein sich wach zu halten, doch umfing ihn eine große Müdigkeit. Schlafen, nur noch schlafen! Dann würde man auch diese Hiebe nicht mehr spüren. Was für ein Ende! Bronsteins Atem, der zuletzt nur noch stoßweise gegangen war, wurde wieder regelmäßiger, und die beklemmende Angst schien sich zu legen. Was sollte er noch herumzappeln und es sich unnötig schwer machen? Was kam, das kam. Er hatte dem Tod schon öfter ins Auge geblickt, nun war es halt so weit. Er war ohnehin fünfzig geworden, andere bissen mit achtzehn schon ins Gras. Und was hatte er schon zu verlieren? Er hatte keine Frau, keine Kinder, niemand würde um ihn weinen. Und wenn es schon sein musste, dann musste er wenigstens mit Würde abgehen. Sollte sich dieser dumme Nazi an ihm nur abreagieren, er würde nicht betteln oder winseln. Henker, tu deine Pflicht! Erstaunlich, was einem so alles in den Sinn kommt, wenn das letzte Stündlein gekommen ist. Bronstein hätte sich nie gedacht, dass er seinem Gehirn derart poetische Ergüsse würde entlocken können. Schon gar nicht, wenn sich irgendein Berserker an seinem geschundenen Leib abarbeitete. Beiläufig registrierte Bronstein einen weiteren Tritt gegen seine Hüfte, und wieder hörte er ein deutliches Knacken. Siehst du, dachte er, da hat sich ein weiterer Knochen verabschiedet. Anscheinend gehe ich auf Raten drauf. Ade, du schnöde Welt.
    Scheiße, das hatte jetzt wirklich verteufelt wehgetan. Da hatte es irgendein inneres Organ erwischt, keine Frage, denn ihm war das letzte Bisschen Luft weggeblieben, das er noch hatte. Ob das ein Milzriss war? Oder ein Lungenpatschen? Es war wirklich sehr ungemütlich. Warum konnte das nicht allesschneller gehen, wie lange musste er sich noch quälen, bis er es hinter sich hatte? Wenigstens beschimpfte ihn dieser Grobian nicht mehr. Eigentlich schlug er ihn auch nicht mehr. Ja, eigentlich war da gar nichts mehr! Was war da los?
    „Jessas Maria, wie is Ihnen? San

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