Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
Vom Netzwerk:
S’ überfallen worden? Soll i die Heh rufen?“
    Bronstein bemühte sich, seinen Blick auf die Person zu fokussieren, die sich über ihn gebeugt hatte. Keine Frage, das war nicht Murer. Der musste Fersengeld gegeben haben, als dieser Passant des Weges kam.
    „Hören S’ mich? Die Polizei! Ich ruf die Polizei, ja?“
    Bronstein bemühte sich um ein Nicken. „Murer“, flüsterte er, und „Cerny weiß Bescheid“. Dann brachen alle inneren Dämme. Bronsteins Leib sank endgültig in sich zusammen, und ihm war, als legte jemand in ihm einen Schalter um. Jetzt aber wirklich: einfach nur noch schlafen.
    Noch ehe die Polizisten von der Streife am Tatort eintrafen, hatte Bronstein das Bewusstsein verloren. Ein flüchtiger Blick überzeugte den Revierinspektor davon, dass der Mann, der vor ihm auf dem Boden lag, schwer verletzt war, und so kontaktierte er auf schnellstem Wege die Ambulanz, und nur wenig später brachte ein Krankenwagen den ohnmächtigen Bronstein ins nächstgelegene Spital.

X.
Donnerstag, 12. Juli 1934
    Bronstein wollte weiterträumen, doch irgendwie schien sein Körper keine Lust zu verspüren, noch länger vor sich hin zu schlummern. Nach einer kleinen Weile gab Bronstein seinen Widerstand auf und öffnete sorgsam und bedächtig ein Auge. Die Umgebung kam ihm alles andere denn bekannt vor. Wo war er? Er öffnete auch das zweite Auge, doch darob kam ihm der Ort um nichts weniger vertraut vor. Bronstein wollte den Kopf drehen, doch irgendetwas hinderte ihn daran. Zugleich verspürte er einen stechenden Schmerz in der Brust, und das Atmen fiel ihm bemerkenswert schwer. Hatte er zu viele Zigaretten geraucht? Bronstein versuchte sich aufzusetzen, doch durchdringender Schmerz im Kopf und an zahlreichen anderen Stellen seines Körpers hielt ihn augenblicklich von einem solchen Tun ab. Er schloss die Augen und stöhnte.
    „Ah, sind wir munter geworden?“ Eine fremde Stimme flötete neben ihm. Wer war das?
    Bronsteins verschleierter Blick suchte ein Gesicht zu den Tönen, die an sein Ohr gedrungen waren. Er hätte mit diesem Bemühen wohl keinen Erfolg gehabt, wenn sich nicht plötzlich ein Kopf über ihn gebeugt hätte. Anhand der merkwürdigen Haube, die auf diesem Schädel thronte, fräste sich in Bronsteins Gehirn der Gedanke ein, er könnte in einem Krankenhaus sein.
    „Wo bin ich?“, flüsterte er.
    „Sie wurden zusammengeschlagen, und jetzt erholen Sie sich hier bei uns im Spital“, antwortete der Kopf, „warten Sie, ich hole den Herrn Doktor, der wird Ihnen alles viel besser erklären können.“
    Ehe Bronstein reagieren konnte, war der Schädel auch schon wieder aus seinem Gesichtsfeld verschwunden. Daher beschränkte sich Bronstein darauf, einfach noch einmal zu stöhnen und die Augen wieder zu schließen.
    „Ah, begrüße Sie. Sind wir wieder unter den Lebenden, was?“ Die Stimme des Arztes klang beschwingt und fröhlich, so als hätte Bronstein nur eben ein Nickerchen gemacht oder wäre nach einer durchzechten Nacht endlich zu sich gekommen. Bronstein reagierte mit einem muffigen Grunzen.
    Dies nahm der Arzt zum Anlass, ernst zu werden. „Sie haben großes Glück gehabt“, erklärte er, „es ist Ihnen weiter nichts geschehen, was nicht mit ein paar Tagen Bettruhe wieder aus der Welt geschafft wäre.“
    „Was ist mir geschehen?“, krächzte Bronstein.
    „Na, zum einen haben Sie eine kräftige Gehirnerschütterung. Die hat uns ehrlich gesagt auch am meisten Sorgen bereitet, weil diese Schwellung da oben“, dabei tippte sich der Arzt mit dem Finger an die Stirn, „auch sehr übel hätte ausgehen können. Doch das haben wir mittlerweile im Griff, das macht uns also keine Probleme mehr.“
    „Mittlerweile?“, unterbrach ihn Bronstein, „wie lange bin ich denn schon hier?“
    „Na, so gute sechsunddreißig Stunden werden es schon sein. Wir haben Donnerstagnachmittag.“
    „Und was fehlt mir sonst noch?“ Bronstein klang immer noch tonlos.
    „Zwei angeknackste Rippen, ein paar Prellungen, Quetschungen und Hautabschürfungen, aber alles in allem nichts Ernstes. In zehn bis zwölf Tagen sind Sie wieder auf dem Damm.“
    „In zehn Tagen?“ Bronstein bemühte sich, die Augen aufzureißen und erschreckt auszusehen. „Ich habe einen Fall zu lösen!“
    „Möglicherweise. Aber nicht jetzt. Absolute Bettruhe für mindestens eine Woche. Das ist unumgänglich. Und danach noch ein paar Tage häusliche Pflege. Sonst richten Sie weiß Gott was an, und dann kann Ihnen keine medizinische

Weitere Kostenlose Bücher