Tacheles
observieren?“
„Schaden tät’s nicht, oder?“
Bronstein dachte kurz nach. „Gut“, sagte er dann, „den Kotzler lassen wir jetzt einmal dunsten. Dann nehm ich ihn mir einmal zur Brust. Und du erkundigst dich beim Werksleiter, wann der Murer heute Schichtende hat. Dann hängst du dich unauffällig an ihn dran. Und nach dem ersten Verhör lös ich dich dann ab. Du gibst in der Zentrale jeweils deinen Standort durch, da find ich dich dann schon. Und das heißt“, schloss Bronstein, „wir gehen jetzt was Gutes essen, und danach gehst du heim und ruhst dich ein wenig aus.“ „Na“, lachte Cerny, „da sag ich nicht nein.“
Nachdem sich die beiden an einem überaus schmackhaften Rostbraten gelabt hatten, fuhr Cerny nach Hause, während Bronstein in aller Ruhe in die Elisabethpromenade schlenderte. Einmal dort angekommen, suchte er alte Freunde zu einem Plausch auf. Bei Kaffee und Zigaretten redete man über das Wetter, über Fußball und über die Anzahl der Tage, die einen noch von der Pension trennten. Man erkundigte sich nach dem Befinden der Verwandt- und Bekanntschaft und ließ auch einmal ein paar Minuten der Stille ins Land ziehen, damit das Gesprochene sich setzen konnte. Reichlich vier Stunden, nachdem Kotzler eingeliefert worden war, meinte Bronstein, es wäre allmählich an der Zeit, dem nazistischen Grobian ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Er verabschiedete sich also von seinen Kollegen und ging langsam in das Stockwerk mit den Vernehmungszimmern. Schon aus geraumer Entfernung hörte er Kotzler stoßweise toben. Bronstein nickte den Uniformierten vor der Tür zu: „Wie macht er sich?“
„Am Anfang hat er g’schrien wie am Spieß. Dann hat er sich nach und nach beruhigt, und jetzt tobt er wieder“, lautete die sachlich-lakonische Antwort.
„Na, dann wer’ ma amoi schau’n“, gab sich Bronstein leger und öffnete die Tür. Kotzler sprang auf und funkelte sein Gegenüber wütend an, wagte aber keine Aktion, da Bronstein von den beiden Polizisten flankiert war. Einer der beiden Beamten ging um den Tisch herum und drückte Kotzler langsam auf den Sessel. Als dieser saß, postierten sich die beiden Uniformierten links und rechts von ihm, während Bronstein auf der anderen Seite des Tisches Platz nahm. Er steckte sich eine Zigarette an und sog ihren Rauch in die Lungen, um ihn sodann Kotzler ins Gesicht zu blasen.
„Alsdann, leg nieder!“, sagte Bronstein einen Augenblick später.
„Wos soll i niederlegn? I hob nix zum Derzähl’n.“
„Kumm, kumm, Burli. Wir haben Demands Blut an deinen Schuhen gefunden. Wir wissen, dass du’s warst. Es wär besser für di, wennst gestehst. Dann kommst vielleicht mit Totschlag davon. Zehn Jahr’ statt lebenslang, des is doch immerhin a Perspektive.“
Kotzler lehnte sich zurück: „Des schaut eich Kiwara wieder ähnlich. Hängt’s ma an, dass a Jud g’mocht worden is. I hab g’oabeit’ fia die Sau, des woa oba scho ois. Wer immer des Viech hamdraht hot, i woa’s ned.“
„Und wie kommt dann sein Blut auf deine Schuhe?“
„Wäu dei Behm und du des so draht habts.“ Kotzler bemühte sich sichtlich, gelassen zu wirken.
„Tja, wennst meinst. Helfen wird dir das aber nicht. Die Beweislast ist jedenfalls erdrückend. Dann wird’s halt ein Mord. Lebenslänglich ist dir sicher, und, wer weiß, vielleicht baumelst sogar. Ist es das wirklich wert?“
Kotzlers Selbstsicherheit war mit einem Mal verschwunden. „Geh bitte, i woa des ned“, quengelte er.
„Wenn nicht ein anderer deine Schuhe angehabt hat, dann schaut’s gar nicht gut aus.“ Kotzler schlug die Hände vors Gesicht, und Bronstein war sich ziemlich sicher, dass der Mann eben zu weinen begonnen hatte.
Bronstein empfand eine unglaubliche Müdigkeit in sich aufsteigen. Diese treudeutschen Jammergestalten widerten ihn an. In der Masse fühlten sie sich wie Gott Thor persönlich, und kaum standen sie allein auf weiter Flur, da wurden sie zu feigen Memmen und zitterten wie Espenlaub.
„Schafft mir dieses Würschtl aus den Augen“, wies er die Beamten an. Und zu Kotzler sagte er: „Ich geb dir eine Nacht Zeit, um zu überlegen, was du mir sagen willst. Und morgen erzählst du mir besser alles, sonst …“ Bronstein beendete den Satz mit einer Geste der rechten Hand, die eine Schlinge um den Hals andeutete. Kotzler starrte ihn entsetzt an und wandtesein Gesicht nicht von ihm ab, bis er den Raum verlassen hatte. Bronstein seufzte und ging dann in die Portierloge zurück, wo
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