Täglich frische Leichen
liegenlassen!«
Der griechische Gott bekam
einen schrägen Blick, sein Lächeln fror ein. Er starrte mich einen Augenblick
entsetzt an, dann fuhr er herum und machte Schritte, als wolle er bis abends
nach Miami gelangen — zu Fuß.
Ich ging auf das Haus zu und
tat, als hörte ich das ordinäre Gelächter des Chauffeurs überhaupt nicht.
Wie Hal Anderson mir gesagt
hatte, gab es eine Außentreppe zum Obergeschoß. Oben an der Tür befand sich
statt der üblichen Klingel einer dieser schicken Messingklopfer. Ich pochte
kräftig ans Holz, da schwang die Tür plötzlich ganz von selbst nach innen.
Ich betrat die Wohnung und
blieb in der kleinen Diele mit dem hübschen Teppich stehen. »Mr. Anderson?«
rief ich. »Mr. Hal Anderson?« Keiner gab Antwort, weshalb ich nochmals und
lauter rief, aber auch danach meldete sich niemand.
Vielleicht war das Ganze nur
ein Bluff. Möglicherweise hatte Anderson mich hergelockt, weil er mich aus dem
Weg haben wollte, während er unser Büro durchsuchte.
Ich schloß die Augen und
versuchte mir vorzustellen, was Johnny nun wohl an meiner Stelle getan hätte,
und während ich noch drüber nachdachte, öffnete ich die Augen wieder und zog
mir die Strümpfe glatt. Das hätte Johnny natürlich nicht tun können, weil er
Socken trägt.
Das Gescheiteste war
zweifellos, auf der Stelle kehrtzumachen und heimzufahren. Aber ich wurde das
Gefühl nicht los, daß Johnny anders gehandelt hätte. Zumindest hätte er sich
einmal kurz in der Wohnung umgeschaut.
Es gab ein Wohnzimmer, eine
Küche, zwei Schlafzimmer und ein Bad. In dieser Reihenfolge sah ich mir die
Räume an. Wenn das Schicksal es besser mit mir gemeint hätte, dann hätte ich
mir auf der Treppe ein Bein gebrochen oder so, aber...
Als ich beim Bad anlangte, war
ich schon überzeugt, es sei niemand zu Haus und ich vergeude nur meine Zeit.
Ich stieß die Tür auf und peilte ins Bad, dann errötete ich und zog eilends den
Kopf zurück.
»Mr. Anderson«, sagte ich kühl.
»Wenn Sie die Badezimmertür schon nicht abschließen, dann könnten Sie einen
wenigstens wissen lassen, daß Sie in der Badewanne sitzen.«
Er machte sich nicht mal die
Mühe, auf meine höfliche Bemerkung zu antworten. Nun reichte es mir. Ich hatte
schließlich Besseres zu tun, als vor seiner Badezimmertür herumzustehen.
Ich war etwa vier Schritte weit
gekommen, da blieb ich unvermittelt wieder stehen. Etwas stimmte nicht. Ich
hatte zwar nur einen flüchtigen Blick ins Bad geworfen und mich sofort diskret
zurückgezogen, als ich erkannte, daß er im Wasser saß. Aber eben da stimmte es
nicht: Er hatte ja gar nicht gesessen! Und so flüchtig ich auch hingeschaut
hatte, eins stand fest: Hal Anderson war der erste Mensch, der mit dem Gesicht
im Wasser badete.
Mit dem Gesicht unter Wasser!
Ich stieß die Tür weit auf und
stürzte hinein. Er lag tatsächlich bäuchlings in der Wanne. Ich packte ihn am
Schopf und zog den Kopf aus dem Wasser. Der Boden war naß und glatt, und ums
Haar wäre auch ich in der Wanne gelandet; aber ich brachte es gerade eben noch
zuwege, ihn über den Rand zu ziehen, so daß sein Kopf auf den Fliesen zu liegen
kam, während seine Beine noch im Wasser hingen.
Ich tat, was ich eigentlich gar
nicht tun wollte. Ich drehte seinen Kopf zur Seite und sah ihm ins Gesicht.
Sein Bart triefte, sein Mund stand offen, als sei er sehr überrascht. Er atmete
kein bißchen.
Ich ließ ihn los, weil mir die
Knie plötzlich den Dienst versagten. Sein Kopf schlug hohl auf den Steinboden.
Ich wollte mich wieder auf die Beine machen, aber da begannen sich die Wände
des Badezimmers zu drehen. Sie rotierten schnell und schneller, außerdem
brauste es laut und lauter in meinen Ohren, bis alles mit einem Schlag vorbei
war.
Ich fiel ihn Ohnmacht.
Ich will mir die Schilderung
sparen, wie ich mich fühlte, als ich wieder zu mir kam. Ich hob mühsam den Kopf
und erkannte, daß ich auf einer Couch im Wohnzimmer lag, und das bedrückte mich
natürlich; jedes Mädchen ist bedrückt, wenn sie auf einer fremden Couch erwacht
und weder weiß, wie sie dorthin kommt, noch was alles vorgefallen ist. Daß
Leute schlafwandeln, weiß man ja, aber daß Leute in Ohnmacht wandelten, war mir
neu.
Aus einem Augenwinkel sah ich,
wie sich etwas bewegte. Ich schoß hoch und rüstete mich zu einem
durchdringenden Schrei. Ein Mann stand im Zimmer und betrachtete mich grinsend.
»Keine Aufregung, Puppe. Du bist noch ganz heil.«
Es war wieder mal dieser
Beatle, der Kerl, der
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