Täglich frische Leichen
Haustür sagte ich: »Vielen Dank fürs Heimbringen.«
»Ein Vergnügen, Chiquita«, sagte
er. »Und nun begleite ich dich in deine Wohnung.«
»Nicht nötig«, meinte ich kühl.
»Ich bin immer noch sehr böse auf dich, Rafael Vega. Ich habe noch nicht
vergessen, daß du hinausgegangen bist und mich mit dieser Schlange Arturo
allein gelassen hast.«
»Ich habe dir doch schon
erklärt, daß ich überzeugt war, du würdest mit ihm fertig, Mavis«, säuselte er.
»Und wenn du geschrien hättest, dann wäre Rafael Vega wie ein Rachegott ins
Zimmer gebraust.«
»Ha!« sagte ich.
»Ich habe Johnny versprochen,
mich zu überzeugen, daß in deiner Wohnung alles in Ordnung ist«, sagte er. »Ich
kann doch nicht das Wort brechen, das ich einem Freund gegeben habe.«
»Okay. Aber du siehst nur mal
schnell nach, dann trollst du dich. Verstanden?«
»Ganz wie du willst, Chiquita.«
Wir fuhren hinauf, ich öffnete
die Tür und schaltete das Licht ein. Rafael schnüffelte überall herum, die
große Pistole in der Hand; ich sah ihm mit verschränkten Armen zu.
Als er zum drittenmal aus der Küche kam, reichte es mir. »Besten Dank für alles, Mr. Vega«, sagte ich
barsch. »Jetzt gibt’s nur noch eins in dieser Wohnung, was nicht hergehört —
und das bist du. Gute Nacht.«
»Chiquita?« Er blieb stehen und
sah mich schmerzlich überrascht an. »Ich hätte doch gedacht, du würdest mir
wenigstens etwas zu trinken anbieten. Einen kleinen Schlaftrunk, hm?«
»Eher einen Frühschoppen«,
sagte ich. »Du fährst heim!«
»Chiquita«, beharrte er, »ich
will ja nicht lästig werden, aber darf ich dich erinnern, daß du ohne mein
Zutun immer noch die Gefangene Milroyds wärest?«
Obwohl ich es mir nur ungern
eingestand, mußte ich zugeben, daß er da nicht ganz unrecht hatte; er hatte
mich vor einem Schicksal errettet, das ich mir nicht mal ausmalen wollte.
»Na ja«, brummte ich. »Ein
Glas, meinetwegen.«
Er trug die Whiskyflasche in die
Küche hinaus und kehrte eine halbe Minute später mit zwei Gläsern zurück.
»Ein Glas, hab’ ich gesagt.«
»Aber eins ist doch für dich,
Chiquita.«
»Du weißt, daß ich fast nie
trinke.«
»Aber mit mir mußt du anstoßen.
Es wären schlechte Manieren, es abzuschlagen, Chiquita«, sagte er zärtlich.
»Ich will nicht ständig daran erinnern, und überdies bin ich der geborene Held,
so daß mir derlei Taten nicht schwerfallen — aber wenn ich heute
abend nicht in Milroyds Haus...«
»All right!« Ich riß ihm das
Glas aus der Hand. »Prost auf den Helden! Dreimal Hipp-hipp-hurra für Rafael
Vega den Großen, und nieder mit Arturo dem Fabelhaften!«
»Darauf trinke ich auch«, sagte
er.
»Schön.« Ich leerte mein Glas
auf einen Zug, dann drückte ich es ihm wieder in die Hand. »Und somit gute
Nacht!«
Er schien beleidigt. »Meinst du
das wirklich ernst, Chiquita? Ich soll jetzt gehen?«
»Je schneller, desto besser.«
Er neigte sorgenvoll sein
Haupt. »Dann werde ich gehen. Ich will mich nicht aufdrängen, obwohl deine
Schönheit mich verrückt macht und mir Feuer durch die Adern jagt und ich allein
vom Anblick deines Liebreizes vergehen könnte...«
Langsam hob er die rechte Hand
und nahm die dunkle Brille ab. » Adios , Chiquita «, sagte er heiser.
Und das warf mich glatt um. Ich
hatte vergessen, daß es genau die gleiche Wirkung auf mich gehabt hatte, als
ich ihn damals im Urlaub in Mexiko kennenlernte. Ich sah ihm in die Augen, und
mein Herz zerfloß . Die Knie wurden mir schwach, und
ich kam gerade noch bis zur Couch, ehe sie mir völlig den Dienst versagten.
»Du brauchst ja auch nicht
sofort zu gehen«, murmelte ich. »Es wäre wohl undankbar, dich rauszuwerfen,
nachdem du mich vor Milroyd und allem anderen bewahrt hast. Aber lange darfst
du nicht bleiben; jedenfalls nicht länger als ein, zwei Stunden...«
»Du bist ja so lieb zu deinem
dir zutiefst ergebenen Rafael, Chiquita«, sagte er, und im nächsten Augenblick
saß er neben mir. Ich sah ihm aus nächster Nähe in die Augen, und da verließ
mich auch das letzte Fünkchen Willenskraft.
»Sie wirken so seltsam auf mich,
Honey«, sagte ich träumerisch. »Ich meine deine Augen. Wie sind sie nur zu
ihren verschiedenen Farben gekommen?«
»Ganz sicher bin ich nicht«,
sagte er nachdenklich. »Aber ich glaube, es hat mit meiner Mutter zu tun. Sie
war in erster Ehe mit einem blauäugigen Amerikaner verheiratet, aber zwei Jahre
nach der Hochzeit hat er sich umgebracht.«
»Wie schrecklich«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher