Taenzer der Nacht
Dich erinnerst, und hatte einen wahnsinnigen Körper), ging nach Fire Island, nahm Poppers und Drogen, tanzte bis zum Sonnenaufgang, fi ckte im Meat Rack und gestaltete Schau fen ster von Macy’s und zog mit einer richtig hartgesottenen Clique herum, und in der Woche drauf, puff! ging er barfuß, und betete den Kreuzweg. Ohne ein Wort zu irgendjeman dem! Er machte es einfach. Meinst Du, Malone beschneidet irgendwo in einem Kloster auf der anderen Seite des Hudson Weinreben?
Siehst Du, eine Tatsache, die viel von Malone erklärt, ist, daß er religiös war: Er war bei diesen Nonnen in den gekachel ten Säulengängen auf Ceylon aufgewachsen, unter Stechpalmen in der Mittagssonne, und wenn er die Seeleute liebte, die auf der Veranda saßen und Bier tranken, so liebte er auch Jesus und Maria und die Heiligen in der Dunkelheit der Kirche dort. Ich glaube, das Sonnenlicht, die Palmen, die schimmernde See, die gebräunten Seeleute, das Glück seiner Kindheit und der Tod von Jesus, das floß alles zusammen, und er wußte nie, wo die Ästhetik aufhörte und das Religiöse begann, und umgekehrt. Weißt Du, wenn Leute, die einmal sehr religiös waren, nicht mehr an Gott glauben, so ändern sie sich eigentlich nicht; sie fahren fort, nach der übersinnli chen Nahrung zu jagen, und versuchen, diesen Hunger zu stillen. Du mußt zugeben, diese Suche führte Malone zu Plät zen, die er sonst nie betreten hätte; und wer weiß, wo er ihn jetzt hingeführt hat?
Denn er träumte mit den besten von uns, meine Liebe, träum te noch viel ausgefallenere Träume – und als sie fehl schlu gen, verschwand er. Schweigend, denn was hätte er sage n sollen? Erinnere Dich, was Su therland sagte, als ich eines Tages mit ihm im Zug zurückfuhr, auf meine Frage, warum Malone so ruhelos war und davon sprach, nach Denver, San Francisco oder Charleston zu ziehen. „ Träume ver fau len, Liebling“, sagte er, „wie alles andere auch. Und dabei strömen sie Gase aus, von denen manche giftig sind und alle unangenehm, und deshalb geht man weg von dem Ort, wo die Träume geträumt wurden und sich jetzt vor deinen Augen zersetzen. Sonst stirbt man an Monoxid-Ver gif tung.“Naja, vielleicht ist Malone auch deshalb abgehau en. Was meinst Du? Verfaulte Träume??
Betsy Bloomingdale
Schlafenszeit
Tiefer Süden
Ekstase,
ich würde ja gerne noch ewig darüber plaudern, aber siehst Du nicht, was wir geworden sind: alte Vetteln, die vor si c h hinbrabbeln, wie die Männer hier, die nichts weiter wollen, als den ganzen Tag vor dem Postamt oder der Tankstelle zu sitzen, zu mummeln und zu quatschen. Über die Fische, die sie gefangen haben, und wessen Tochter sich hat scheiden lassen und nach Atlanta gezogen ist. Sehr ruhige, mein Lieber, sehr goldene Jahre. Was an Homosexuellen so unglaub lich ist, wenn sie als Homosexuelle leben (das heißt als Frauen: Wesen, deren Leben hauptsächlich darin besteht, für andere a t traktiv zu sein), daß ihr eigentliches Leben viel eher aufhört als das heterosexueller Männer. Wir unterhalten uns hier so, als ob das Leben vorbei sei. Malone ist ver schwun den, das stimmt, und wir haben keine Ahnung, wo er ist oder was er tut (als ob uns das sagen würde, was wir zu tun hätten, und wohin wir gehen sollten, während wir doch in Wirklichkeit die Antworten selber finden müssen); und mit seinem Verschwinden aus dieser Stadt hat die Stadt aufgehört, uns zu bezaubern. (Darum dreht sich Dein Ro man doch letzten Endes: die Stadt. Heiße Sommernächte in dieser Stadt. So hast Du es also so gemacht, wie ich es Dir gesagt habe, was ein Roman leisten solle, denn was anderes kann er nicht).
Und jetzt, wo Du das getan hast, muß es weitergehen. Wir können nicht einfach unsere Flügel zusammenklappen und in Schlaf fallen, wie zwei Elstern in einem Magnolienbaum. Was soll man danach tun? Für die Schönheit zu leben ist ganz nett, aber es ist eine harte Zucht und verbrennt einem das Herz ziemlich schnell. Ich hoffe, wir werden keine geruh samen alten Fürze, die in einer Kleinstadt auf ihren Bänken sitzen und den Burschen beim Baseballspielen zuschauen. Erinnere Dich an Shakespeares Sonette an den schönen jungen Mann, in denen er ihm sagt, daß er heiraten muß, sonst werden er und seine Schönheit sterben. Der Punkt ist, daß wir nicht verdammt sind, weil wir schwul sind, mein Lieber, sondern nur, wenn wir in Ver zw eiflung darüber uns um nichts sonst kümmern, wie wir es an den Stränden und in den Straßen der
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