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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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außerhalb der Zeit lebt. Wenn es letzten Endes fünf oder sechs Jahre brauchte, um mit einem Mann wie Malone zu sprechen, so spielte das überhaupt keine Rolle. Sie solange zu beobachten, mach te den Besitz selber fast zweitrangig. Liebe ist eine Laufbahn mit ihren eigenen Lehrjahren, Beloh nungen und Enttäuschungen ... eine Berufung genauso konkret wie die der Kirche, wert, ein Leben dafür zu opfern. Ich weiß also nicht, wie lang ich schon in der Sub verkehrte, als ich Malone das erste Mal sah; aber dieses Gefühl der Lähmung, eines Lebens ohne Bewe gung, hatte zu dieser Zeit sicher auch ihn schon befal len.
     
    Denn das ist die seltsame Eigenschaft einer Disko thek, in die du schon lange gehst: Inmitten der ganzen Lichteffekte, der Musik, der Körper, des Tanzens, der Drogen, bleibst du völlig ruhig, und obwohl du die Tanzbewegungen mitmachst, denkst du an tausend verschiedene Dinge. Du stellst fest, daß du den Texten zuhörst, und du fragst dich, was die Leute um dich herum eigentlich machen. Sie wirken auf dich völlig ausgerastet. Du stehst da auf der Tanzfläche, bewegst deine Hüften, fragst dich, ob es Liebe wirklich gibt, und es wird dir zum ersten Mal bewußt, daß es 3 Uhr 25 ist und die Nacht schon halb vorbei. Du steckst dir Poppers in die Nase, du streckst eine Hand aus, um leicht den verschwitzten festen Bauch des Mannes zu berühren, der neben dir tanzt, deine eigene Brust ist klatschnaß von Schweiß in diesem heißen Raum, und du überlegst so gewichtig wie ein Richter: Was soll ich mit meinem Leben anfangen? Was kann man über haupt mit seinem Leben anfangen? Und letzten Endes weißt du nicht mehr, wohin mit deinen Augen. Du weißt nicht, wohin du schauen sollst, während du tanzt. Du bist ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Heiligen.
    Und so kommen wir zu der Nacht, in der John Schaef fer aus Princeton in das Twelfth Floor mitgenom men wurde und sah, wie Malone zur Tür herein kam und seine Freunde begrüßte. Freunde, die eigentlich nichts weiter waren als Leute, mit denen er zu Parties ging, und die schon lange die Fähigkeit, ihn zu be zau bern, verloren hatten. Er stand da, unterhielt sich mit ihnen, und hörte auf die Musik mit einem schrecklich abgeklärten, kritischen Ohr. Er wartete auf ein Stück, genau den richtigen Song, ein Gesicht, das magische Gesicht, das ihn wieder zu der alten Ekstase entzünden sollte – und als er sich auf der Tanzfläche wiederfand und seinen Kopf zurückwarf, als Patty Joe anfing zu singen „Make Me Believe in You“, und er Frank Posts mächtige, schweißüberströmte Brust berührte, und sich fragte, wer wohl der nächste sein würde, war er wie jeder andere hier: nur ein Gefangener der Ge wohn heit.
    Aber er war lange Zeit nicht dagewesen, da er ja mit Rafael auf der anderen Seite der Stadt gelebt hatte, und es war für manche aufregend, ihn wieder zu sehen. Malone war letzten Endes nur ein Gesicht, das ich in einer Winternacht in der Diskothek sah. Aber er war irgendwie die Gestalt, auf der alles ruhte. Das zentrale, wunderschöne Symbol. Solange er von diesem Raum gefangen war, solange er immer wieder hierher zu rück kehrte (wie er es jetzt getan hatte), solange würde ich es auch tun. Solange der Raum dieses Gesicht be zwang, würde er auch mich bezwingen. In einer Stadt entwickeln sich Beziehungen wie diese, und besonders in einer Gesellschaft, die so romantisch ist, wie die der Homosexuellen, mit Gesichtern, denen du dich nie näherst, aber die eine große Bedeutung haben. Warum versuchte ich nie, die Leute kennenzulernen, die ich so bewunderte? Ich weiß es nicht. Aber obwohl ich nie mit Malone gesprochen hatte, liebte ich ihn, und ob wohl ich nie versucht hatte, ihn kennenzulernen, war er die einzige Person in dieser großen Stadt, deren Leben, deren Schicksal mich gefangen nahm; und der Augenblick, in dem er wieder einmal im Eingang auftauchte, der Augenblick, in dem er ins Twelfth Floor zurückkam, war für mich eine ebenso große Freude, wie wenn die Illusion der Liebe wieder möglich ge wor den wäre.
    Und in einer Geschichte, die mehr als von irgend etwas anderem von körperlicher Schönheit handelt, habe ich noch nicht einmal geschildert, wie Malone aus sah – Malone war einer der wenigen Blonden, die ich je schön fand. In New York ist man in Italiener und Juden verliebt, in Puertoricaner und Ungarn, in Sizilia ner und Venezuelaner – diese dunkeläugigen, dunkelhaarigen Schönheiten, in denen du dich auflösen willst, ertrinken

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