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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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und völlig aufgehen wie in der schwar zen Nacht – und Blonde waren so fad wie die Bank leute und Anwälte in der Park Avenue: die farb losen Lakaien einer großen Arbeitsmaschine, die nichts von den Geheimnissen des Blutes verstanden.
    Und dann Malone. Er war auf ganz andere Art blond. Er ähnelte diesen stilisierten Kriegern, die mit schwar zen Linien auf den umbrafarbenen Ton griechischer Amphoren gezeichnet wurden, mit Schenkeln in Mus kel scheiden wie Panzerplatten. Er hatte die Grazie einer Gazelle auf der sonnenüberfluteten Ebene eines afrikanischen Nachmittags. Seine tiefliegenden außer gewöhnlichen Augen waren nie hochmütig oder leer, oder glänzten mit dieser toten Abwesenheit von Ge füh len, mit der New Yorker jeden Tag die unzähligen Erscheinungen ausblenden, mit denen das Leben die ser Stadt sie eher angreift als tröstet. Sie waren voller Gefühl; Malones große Stärke war, daß er nichts ver ber gen konnte. Er hatte die perfekten Manieren eines Mannes seiner Erziehung; aber selbst diese Zurück haltung und Förmlichkeit konnte sein inneres Glühen nicht überdecken. Auf unserem Totenbett werden wir uns vor allem an Gesichter erinnern; nicht an das, was wir erreicht oder nicht erreicht haben, worüber wir uns ängstlich Sorgen machten, sondern an das Gesicht in der U-Bahn, an die Grazie zweier junger schwarzer Män ner, die sich eines Nachmittags in einem Armeelager in Georgia gegenseitig die geschorenen Köpfe waschen, an Malone, der dir in die Augen blickt.
     
    Nichts aber hätte uns mehr überraschen können, als Malone und Sutherland in unserer Nachbarschaft zu entdecken. Wir hatten nicht mitbekommen, daß einer von ihnen hierhergezogen war, aber wir sahen sie jetzt jeden Tag am späten Nachmittag, das heißt, wenn sie gerade aufgestanden waren. Selbst auf dieser Straße voller Verrückter stach Sutherland heraus. Es lag etwas Wildes und Atemloses auf seinem Gesicht, als ob er gerade die Heilige Jungfrau Maria im U-Bahn-Eingang gesehen habe, oder aus einem dieser Windkanäle kom me, in denen die Tragflächen von Flugzeugen getestet werden. Malone zog die Aufmerksamkeit aus einem anderen Grund auf sich. Er schien aus einer völlig anderen Welt zu stammen. Seine Augen waren so tief und freundlich, und hoffnungsvoll, daß man, wenn man seinem Strahlen im Vorübergehen begegnete, plötz lich vergessen konnte, wohin man gerade gehen wollte, und stehenblieb, um sich wieder zu fassen.
    Malone bekam das inzwischen mit. Seine Augen waren ihm jetzt zur Last geworden. Er glaubte selbst nicht mehr an die Liebe, aber erlebte jeden Tag, wie sich die Leute in ihn verliebten. Malone ließ seine Augen umherschweifen – denn er war immer noch von Schönheit fasziniert – und fand sich oft unerwartet im Augenkontakt mit namenlosen Fremden auf der Straße. Er löste dieses Dilemma, indem er einfach nicht mehr jeden ansah; und wenn er jemanden kennenler nen mußte, zeigte er von Anfang an eine lockere, unper sönliche Freundlichkeit, die sich leicht als Form asexueller Höflichkeit zu erkennen gab; woraus sich sein eigentümlich leichter und lockerer Charme er klärt, als John Schaeffer ihn im Twelfth Floor sah.
    Wir erlebten das auch an dem Nachmittag, als sie in unseren Laden kamen, und Sutherland geradewegs auf die alten, steifen, bodenlangen Kleider zuging, die dort gebraucht verkauft wurden. „Sie haben nie meine Größe“, sagte er atemlos, „und ich weigere mich, ihnen zu sagen, daß es für eine Freundin ist.“
    Malone lächelte, steckte die Hände in die Hosen taschen und fing an, sich mit uns zu unterhalten, wäh rend Sutherland die Roben inspizierte: „Übrigens“, sagte er in dieser leichten Art, „ich bin gerade hier in die Gegend gezogen, und vielleicht könnt ihr mir hel fen. Kann man hier abends irgendwohin gehen, um etwas Luft zu schnapen? Irgendein nahegelegener Park?“
    Wir schauten verblüfft: Er redete, als ob wir in einem kleinen Dorf am Rhein lebten. Schließlich schilderten wir ihm die drei, die zu Fuß zu erreichen waren: Washing ton Square, der normalerweise voller Leute war, die Frisby spielten, Dope verkauften oder Bongo trommeln spielten, und daher nicht besonders erhol - sam war; Tompkins Square, der gefährlich war; und unsere eigene Oase, die beiden symmetrischen Parks an der Second Avenue zwischen der Fifteenth und der Seventeenth Street, wohin wir abends gingen, eine Zigarette rauchten, und zusahen, wie Männer unter Bäumen fickten, und vor dem wir ihn warnten, weil

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