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Taeter wie wir

Taeter wie wir

Titel: Taeter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Fupz Aakeson
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vieldazu sagen, wenn sie anfing, darüber zu reden, dann saß man meistens nur da, nickte und sagte Aha, Ja oder Nein.
    »Und sie hat merkwürdige Dinge gesagt, das waren die schmerzstillenden Medikamente, die waren schuld daran, sie hat mich angeguckt und gesagt, dass die Kühe reingebracht werden müssten, als ob wir Kühe hatten, das mochte ich gar nicht.«
    »Nein.«
    »Und ich kann mich an die Fahne auf halbmast erinnern, ich habe gefragt, ob sie nicht lieber ganz nach oben gehisst werden sollte, damit meine Mutter sie sehen könnte.«
    »Aha«, sagten wir.
    »Ich habe an den Himmel und das alles geglaubt, ich wollte die Fahne so hoch wie möglich haben.«
    »Aha«, sagten wir.
    »Und mein Großvater war betrunken, als sie beerdigt werden sollte, das stimmt wirklich, er war so blau, dass er den Sarg losließ, aber die anderen hatten das schon geahnt, sie hatten ihn in die Mitte gestellt.«
    »Krass.«
    Aber sonst sprach sie nie darüber.
    Benjis Vater war einmal kurz davor zu sterben, er wollte den Giebel ihres Hauses streichen und da fiel er von der Leiter, der Nachbar fand ihn auf derErde liegend und aus den Ohren blutend. Sie riefen einen Krankenwagen und Benjis Vater war total weg, er lag im Koma. Das war schon komisch für uns, Benjis Vater kannten wir ja, er hatte mit uns geredet, uns begrüßt und so. Ernste Dinge passierten eigentlich immer Leuten, die man nicht kannte, jemandem, der eher fremd war.
    Er lag im Krankenhaus im Koma und Benji und seine Mutter und seine Geschwister besuchten ihn jeden Tag. Die Ärzte wussten nicht, ob er überleben oder sterben würde.
    »Er liegt mit einem Schlauch im Hals da und mit einer Beatmungsmaschine«, sagte Benji, er wusste Bescheid über Koma. Er hielt sich die Hände vor den Mund und sagte wie so eine Maschine: »Er hat auch einen Schlauch im Arsch, damit er scheißen kann.«
    »Okay«, sagten wir. Es war etwas schwer, sich Benjis Vater so vorzustellen.
    In den Wochen, in denen sein Vater im Krankenhaus lag, sahen wir Benji nicht oft. Aber dann wachte der Vater auf, schaute sich um und fragte: »Welchen Tag haben wir?«
    Dann kam er nach Hause und es dauerte nicht lange, bis er wieder herumlief und Unkraut im Garten zupfte.
    »Wir mussten mit ihm reden, als er so dalag«, erzählte Benji eines Tages, als wir über das Komasprachen. »Sie haben gesagt, wir sollten jeden Tag mit ihm reden, sie haben gesagt, dass man nicht weiß, ob die einen hören können, aber vielleicht können sie es.«
    »Was habt ihr ihm denn gesagt?«
    »Ach, so ganz normale Sachen«, sagte Benji.
    »Was heißt normale Sachen?«
    »Na, was wir zu essen gehabt haben«, sagte Benji. »Oder über den Rasen, dass der ganz braun geworden war, weil es nicht geregnet hatte.«
    In einem der alten Reihenhäuser, da wohnte ein Mann, der hatte seine Frau und sein Kind beim Tsunami verloren. Sie waren im Urlaub in Thailand gewesen und er kam allein nach Hause zurück. Darüber stand einiges in den Lokalzeitungen, er wurde ein Jahr später auch darüber interviewt. Einmal, als wir mit dem Fahrrad herumfuhren, da zeigte Martin auf das Haus.
    »Was ist mit dem Haus?«, fragten wir, als wir ein Stück weiter alle anhielten.
    »Da wohnt er«, sagte Martin, »der Mann, der seine Frau und sein Kind beim Tsunami verloren hat.«
    »Ach so.« Wir schauten zum Haus zurück und es schien, als wäre es plötzlich ein ganz besonderes Haus. Jedes Mal, wenn wir an dem Haus vorbeifuhren, dachten wir garantiert alle das Gleiche: Dawohnt der Mann, der seine Frau und sein Kind beim Tsunami verloren hat. Und wir überlegten, wie das wohl war, im Wasser zu liegen und um sein Leben zu kämpfen und sich an einer Palme festzuhalten, um nicht unterzugehen.
    Einmal war er im Vorgarten und mähte dort den Rasen. Wir starrten ihn alle an, er trug kurze Hosen und hatte einen nackten Oberkörper, aber er schaute nicht auf, er guckte nur starr auf den Rasenmäher und wir dachten, dass er bestimmt immer noch total deprimiert war nach dem, was passiert war. Aber vielleicht sah er ja immer so aus, wenn er Rasen mähte.
    Als Jakob aus Afghanistan nach Hause kam, fragten ihn natürlich alle, ob er jemanden umgebracht habe. Nun ja, eigentlich fragten wir ihn nicht direkt, so gut kannten wir ihn ja nicht, aber Martin sagte, dass alle seine Freunde ihn gefragt hätten.
    »Und, hat er einen umgebracht?«, fragte Niko.
    »Jedenfalls hat er genickt.«
    »Wie viele?«
    »Das sagt er nicht, er redet nicht so viel.«
    »Bestimmt viele«, sagte

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