Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Taeter wie wir

Taeter wie wir

Titel: Taeter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Fupz Aakeson
Vom Netzwerk:
ziemlich langsam und vorsichtig hinein und suchte nach dem Ball, und derjenige, der ihn geschossenhatte, musste ihn immer selbst aufheben, ganz gleich, wo er lag, wenn man richtig Pech hatte, dann lag er auf einem Grab, und dann musste man sich ziemlich zusammenreißen, um ihn dort herunterzuholen. Und auch sonst guckten wir immer wieder zu der Pforte hinüber. All die Grabsteine, all die Skelette unter der Erde, all die Knochenhände, die herauskommen und nach Leuten greifen und sie mit in die Tiefe ziehen konnten.
    Der Klempner und seine Frau wohnten in einem der Einfamilienhäuser hinter dem Löschteich, die waren total verrückt mit ihrem Garten. Auf so eine lächerliche Art und Weise. Auf dem Rasen stand eine kleine Windmühle mit Muschelschalen auf dem Dach. Nein, zwei sogar. Sie hatten rosa Plastikflamingos um einen künstlichen Teich herum in die Erde gesteckt. Es gab eine Fontäne in dem Teich, eine kleine, mit einer nackten Frau, die hatte er bestimmt selbst gebaut, schließlich war er ja Klempner. Und natürlich hatten sie Gartenzwerge. Sie hatten einen Fahnenmast. Ein Vogelhäuschen. Der ganze Garten war voll mit so einem Scheiß. Wir nannten sie Herr und Frau Gartenzwerg.
    Wenn wir abends auf unseren Rädern vorbeifuhren, warfen wir immer irgendwas in den Gartenhinein, Dosen oder was wir gerade hatten. Einmal schleppten wir einen der kleinen Mülleimer den ganzen Weg mit uns, nur um ihn über die Hecke auszuleeren. Die war ziemlich niedrig, die Hecke, sie wollten wohl gern, dass man hineingucken konnte.
    Jedes Wochenende waren sie im Garten und wühlten da in der Erde, harkten die Beete, begossen die Pflanzen oder säuberten den winzigen Teich. Manchmal saßen sie auch nur auf ihren Plastikstühlen auf der Terrasse, tranken Kaffee und guckten ihren ganzen Tingeltangel da an.
    Eines Tages hatte er sie erwürgt, das stand in der Zeitung und so. Er hatte sie einfach so erwürgt und Henks Vater, der hatte einen Freund bei der Polizei, der erzählte, dass es überhaupt keinen Grund dafür gegeben hatte. Er hatte es einfach so gemacht. Das Einzige, was er im Verhör gesagt hatte, war: »Wir hatten einen unterschiedlichen Geschmack.«
    So ähnlich war es mit Louise Wiedemanns Onkel. Er war Landwirt und ging auf die Jagd. Er hatte eine Frau und einen Hof und tausend Schweine. Er wohnte noch weiter draußen als Hinken, auf der anderen Seite der Autobahn. Er kümmerte sich um seinen Hof und all die Schweine. Sie hatten auch zwei Kinder, aber die waren erwachsen.
    Eines Tages stand er vom Frühstückstisch auf, bedankte sich für den Kaffee, ging hinaus in den Stall, setzte sich zu einem Schwein, das gerade eine Menge Ferkelchen geboren hatte, und dann schoss er sich mit seinem Jagdgewehr in den Mund. Kein Tagebuch, kein Brief, nicht ein Wort.
    »Er hatte wohl einfach genug von allem«, sagte Louise Wiedemann. Danke für den Kaffee.
    Einmal war da einer, der ist vom Bahnsteig gesprungen, direkt vor den Zug aus Hamburg, und er starb natürlich, das war keiner, den wir kannten. Aber es war unten am Bahnhof und wir waren noch nicht so alt, also radelten wir natürlich so schnell wir konnten hin, als wir davon hörten. Die Gerüchte kursierten ja schnell. Wir kamen an, als er gerade weggebracht wurde, der Krankenwagen fuhr davon und zwei Männer mit orangefarbenen Schutzwesten standen auf den Schienen und spülten sie sauber. Sie hatten den größten Teil des Bahnsteigs mit Plastikstreifen abgesperrt, da waren Beamte, die uns wegscheuchten und sagten, wir sollten abhauen.
    »Es gibt nichts zu sehen«, sagten sie.
    Aber das gab es doch, da war Blut zu sehen. Man musste einfach hinstarren, auf all das Blut, man würde es lieber nicht, aber man konnte nicht anders.
    Hinterher fuhren wir ein wenig auf dem Parkplatz herum und Wilam schrie die ganze Zeit, er würde sich gleich vor unsere Räder schmeißen.
    »Ich habe keine Lust mehr zu leben«, schrie er.
    Benji stieg vom Fahrrad ab und ging zu Wilam. Er packte Wilam am Kragen und sagte: »Das ist nicht witzig. Da ist gerade einer gestorben.«
    Als ob Wilam etwas dafür konnte.
    »Beruhig dich«, sagten wir. »Beruhig dich, Benji, das war doch nur ein Scherz.«
    »Gestorben, tot«, sagte Benji, hob sein Fahrrad auf und fuhr davon.
    Später meinten wir, das käme sicher daher, weil sein Vater und seine Stiefmutter bei der Bahn arbeiteten.
    Mikkel starb ja auch, Henks Cousin, aber damit hatte man irgendwie rechnen müssen. Oder nicht gerade rechnen müssen, aber wir waren

Weitere Kostenlose Bücher