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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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schlecht – schlecht für alle. Er seufzte. Wie hart musste es erst jemanden ankommen, der zu einem ganz anderen Leben erzogen worden war, in einer Zeit, die ein für alle Mal vorbei war? Bestimmt hatte sie von einem Leben als Frau eines höheren Beamten geträumt, hatte gelernt, einen Haushalt zu führen, ein bisschen Französisch, ein klein wenig Musik und Literatur, genug für eine ungezwungene Konversation zur Unterhaltung der Gäste, all die Dinge, die eine höhere Tochter eben können musste. Dann kam der Krieg, die Revolution, danach die Republik. Clara Ganslmeier und ihresgleichen waren zweifellos in einem falschen Leben aufgewacht, ihre Ordnung war durcheinandergeraten, so musste sie das jedenfalls empfunden haben. War es da nicht verständlich, dass sie sich an einen jungen Haderlump aus bürgerlichem Hause hängte? Sie war nicht mehr die Jüngste, und die Zeit war ihr wohl durch die Finger geronnen. Mit einem Mal reute ihn die Clara, es war nicht so sehr ihr schrecklicher Tod, der ihn anrührte, ein Mord oder Todschlag gehörten zu seinem Beruf, wenn auch gottlob nicht allzu oft, nein, viel mehr schmerzten ihn die enttäuschten Hoffnungen, die nicht erfüllten Träume.
    »Beschissen bist worden, armes Luder, wie wir alle«, sagte der Kriminaloberwachtmeister zu sich selbst, als er über die Straße ging. Es fing an zu nieseln. Trotz des Regens blieb er noch einmal direkt vor dem Haus stehen, wartete einen kurzen Moment, dann wandte er sich nach links und ging langsam die Neustadt hinauf, Richtung Kirchgasse, dort bog er ein, um gleich darauf vor der Metzgerei Rötzer erneut stehen zu bleiben.
    Es war kurz vor Ladenschluss, durch das Schaufenster sah er, wie die Verkäuferin gerade dabei war, Wurst und Fleisch aus der Theke zu räumen und nach unten in die Kühlung zu bringen. Nach kurzem Überlegen betrat er den Laden.
    »Ist schon spät, aber kann ich noch hereinkommen?«
    Johann Huther nahm seinen Hut ab und schüttelte umständlich die Nässe heraus.
    »Ja, freilich haben wir noch offen – solange ich im Laden bin, haben wir auf. Was darf’s denn sein?«
    »Haben S’ noch einen Presssack da?«
    »Einen roten oder einen weißen?«
    »Geben Sie mir einen roten.«
    »Ist es so recht, oder soll’s mehr sein?«
    Die Verkäuferin zeigte mit dem Messer eine einen Zentimeter dicke Scheibe an.
    »Passt schon, und eine Hirnwurst hätte ich noch gern.«
    Die Frau richtete sich auf und schaute den Kriminaloberwachtmeister an.
    »Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.«
    Dann stutzte sie einen Moment »Jetzt hab ich es! Sie sind doch der Kriminaler, der dabei war, wie sie sie gefunden haben, die Leichen, droben in der Wohnung Ganslmeier. Alle Leute aus der Nachbarschaft sind zusammengelaufen, da bin ich auch nicht hiergeblieben. Die Neugier hat mich druckt, da hab ich den Laden abgesperrt und bin hinüber. Ich hab g’schaut, was los ist. Genau da hab ich Sie gesehen. Wie Sie aus der Wohnung raus sind, nachdem die Toten gefunden wurden.«
    Johann Huther fühlte sich ertappt und unwohl in seiner Haut, da war er wieder, der Ratsch, die Denunziation, das Besserwissen.
    »Meine Güte, das war was! Wie das Fräulein Beer alles hysterisch zusammengeschrien hat.« Die Frau hinter der Theke schüttelte den Kopf. »Und glauben tust es nicht – wie es der Zufall will, haben Sie jetzt auch noch genau dasselbige bestellt wie die Clara, als sie das letzte Mal bei mir im Geschäft war. Presssack und Hirnwurst. Die Mutter von der Clara, die hat unseren Presssack immer so gern gegessen. Die alte Frau Ganslmeier, mei, eine so bescheidene, ruhige Frau. Sie reut mich schon. Ich kann mich noch erinnern, bis vor zwei Jahren, als es ihr noch besserging, ist sie immer zum Einkaufen gekommen. Die Familie Ganslmeier kauft schon Jahre bei uns, wie ich als Lehrmädchen angefangen hab, waren die schon immer bei uns. Das war, bevor ich eingeheiratet hab. Eine alte Kundschaft. Zur Hochzeit haben sie uns sogar ein Präsent vorbeigebracht, eine Flasche Wein.«
    »Dann sind Sie die Frau …«
    »Traudl Rötzer, meinem Mann und mir gehört das Geschäft.«
    »Was können Sie mir denn sagen über die Familie Ganslmeier, Frau Rötzer?«
    »Was soll ich schon sagen? Die Clara, die geht ja ganz nach dem Vater. Der war groß und stattlich, die Mutter, die war eher klein und immer ganz ruhig und zurückhaltend. Ganz das Gegenteil von Mann und Tochter.«
    Während sie die Hirnwurst in Papier einschlug, erzählte Traudl Rötzer weiter.
    »Die Clara

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