Täuscher
Schließlich zog der junge Mann den Abschnitt heraus und legte ihn auf den Ladentisch.
Emil Mühlbauer rückte seine Augengläser zurecht und besah sich den Abholschein.
»Das ist die Uhr vom Fräulein Ganslmeier. Es tut mir leid, Herr Täuscher, aber ich denke, Sie wissen selber, wie delikat die Angelegenheit war.«
Er blickte Täuscher über den Rand seiner Brille hinweg an. »Ich habe die Uhr damals angenommen in den Glauben, dass es Ihr Eigentum sei, aber wie sich dann herausgestellt hat, gehört sie immer noch dem Fräulein Clara. Wissen Sie, ich möchte keine Schwierigkeiten, für ein Geschäft wie das meinige sind ein guter Ruf und zufriedene Kundschaft alles. Ich habe mit dem Fräulein vereinbart, die Uhr nur in ihrem Beisein auszuhändigen. Es tut mir leid, aber ich kann sie Ihnen nicht geben.«
Hubert Täuscher wurde zuerst blass und dann feuerrot.
»Wann kann ich denn dann mit dem Fräulein Ganslmeier vorbeischaun?«
»Wann immer Sie möchten. Wenn es Ihnen pressiert, können Sie auch heute noch kommen. Das Auslösen selbst ist in zwei Minuten erledigt, nur das Fräulein sollte halt schon dabei sein.«
Keine zwei Stunden später stand Täuscher wieder im Laden, diesmal in Begleitung der Ganslmeier. Die ganze Angelegenheit zog sich dann doch in die Länge, zum einen, weil sie ständig von neuer Kundschaft, die in den Laden kam, unterbrochen wurden, zum anderen, weil Emil Mühlbauer die Gelegenheit beim Schopfe packen wollte, um mit Clara Ganslmeier wegen einiger Schmuckstücke ins Geschäft zu kommen. Die Ganslmeier war grundsätzlich nicht abgeneigt, ihm ihren Schmuck zu zeigen, wie sie versicherte, zierte sich aber ein wenig: »Lieber Herr Mühlbauer, ich zeige Ihnen gerne ein paar meiner Stücke, aber über einen Verkauf muss ich erst nachdenken.«
»Mein gnädiges Fräulein, da ist überhaupt keine Eile geboten. Wer spricht denn von Verkauf, ich würde mir die Sachen gerne anschauen, schon aus beruflicher Neugierde. So eine schöne Sammlung bekommt man in Landshut nicht alle Tage zu sehen. Das können Sie mir ruhig glauben.«
»Wissen Sie, Herr Mühlbauer, ich hänge an den Stücken mit aller Liebe, schon weil ich sie von meinem verstorbenen Vater bekommen habe.«
»Aber liebes Fräulein Clara, darüber brauchen wir doch nicht zu reden. Das verstehe ich voll und ganz. Als Kenner und Liebhaber hängt man an jedem einzelnen Stück. Besonders wenn man, wie in Ihrem Fall, damit auch schöne Erinnerungen verbindet.«
»Herr Mühlbauer, Sie verstehen mich. Wenn ich es mir recht überlege, wäre ich unter bestimmten Umständen bereit, mich von weniger lieben Teilen zu trennen. Vorausgesetzt, der Preis stimmt.«
Aus Erfahrung kannte Mühlbauer solches Taktieren, die Ganslmeier war nicht die Einzige, die sich so verhielt. Er wusste, man musste einen langen Atem und Geduld haben.
»Über den Preis, da reden wir noch gar nicht. Ein guter Preis ist Ehrensache. Schon wegen der Freundschaft und dem Respekt, den ich für Ihren Vater empfunden habe.«
Schließlich einigte man sich auf ein erneutes, ungestörtes Treffen, zur Besichtigung des Schmucks in der Ganslmeier’schen Wohnung.
»Es wäre mir eine Ehre, liebes Fräulein Clara, wann wäre es Ihnen denn gelegen?«
Der Termin für eben diesen Donnerstag war schnell ausgemacht.
Um zehn wollte Mühlbauer in der Neustadt sein. Bei seinem Eintreffen um viertel nach war nicht nur Clara Ganslmeier da, auch Hubert Täuscher hatte sich eingefunden. Nach einer kurzen Begrüßung saßen alle drei zusammen im Salon.
»Mein lieber Herr Mühlbauer, darf ich Sie auf ein kleines Glas Likör einladen, ehe ich den Schmuck hole? Bertl, du trinkst doch auch einen, oder?«
Sie prosteten einander zu, dann stand das Fräulein auf, um den Schmuck zu holen. Hubert Täuscher bot sich an, ihr zu helfen, aber die Ganslmeier lehnte ab, der Schmuck befände sich im Zimmer der Mutter im Sekretär, und sie wolle nicht, dass die Mutter gestört würde, da es der alten Dame nicht so gut ginge. Wieder im Wohnzimmer, zeigte sie Mühlbauer die Stücke.
Clara Ganslmeier genoss es, sie zu zeigen, damit zu protzen. Ihre Augen leuchteten, und die Wangen waren leicht gerötet, während sie den Schmuck vorführte. Stück für Stück. Und zu jedem erzählte sie, wie lange es sich schon im Besitz der Familie befand oder zu welchem Anlass sie es bekommen hatte. Mühlbauer kannte solche Gespräche nur zu gut. In seinem Geschäft ließ man sich nicht so leicht entmutigen, früher oder
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