Täuscher
anderen gehört. Eine Perlentasche, ein ganz besonderes Stück. Sehr auffallend, mit einem Pfau. Und um den Schmuck.«
»Das Fräulein Thea ist ein anständiges Mädchen und trägt nur Dinge, die zu ihr und zu ihrem Stand passen. Ich vermiete nur an ehrliche und anständige Leute, und jetzt gehen S’, mein Herr.«
Maria Lederer bückte sich, nahm den nassen Putzlumpen aus dem Eimer und ließ ihn vor dem Fremden auf den Boden plumpsen. Wischwasser spritzte auf die Hosenbeine und die zweifarbigen Schuhe des Fremden.
»Können Sie nicht aufpassen!«
»Ich hab Ihnen gerade schon gesagt, dass es Zeit wird zu gehen. Ich kann mich nicht ewig mit Ihnen aufhalten. Und wenn S’ weiter so im Weg stehn, könnt es sein, dass mein Putzeimer am Ende noch umfällt. Auf Wiederschaun, der Herr.«
Ohne sich weiter um den Mann zu kümmern, wischte Maria Leder die Stufen hinunter.
In der Zwischenzeit hatte auch der Mieter seinen Briefkasten geleert und ging an der Lederer vorbei die Stufen hinunter.
»Entschuldigung, Frau Lederer, dass ich durchlaufe, ich hätte schon gewartet, bis es trocken wird, aber ich muss weg.«
»Ist schon in Ordnung, Herr Klein.«
Als die Lederer sich aufrichtete, um den Nachbarn vorbeizulassen, war der Fremde bereits verschwunden. Sie nahm Eimer und Schrubber, stieg die Steinstufen hoch, schloss die Hausür hinter sich und ging in den hinteren Bereich des Hausflurs. Gleich neben der Tür, die hinaus in den Hof und zu den Aschentonnen führte, war der Ausguss. Sie schüttete das Putzwasser in das Becken, sah zu, wie es durch den Siphon rann und nur Sand und kleine Steinchen am Boden liegen blieben.
Der erste Eindruck war fast immer der richtige. Einem Lumpen sah man halt doch meistens schon im Gesicht an, dass er einer war, und das würde so bleiben bis ans Ende aller Tage.
Freitag, 24 . März 1922 ,
Landshut, Wohnhaus Täuscher,
Bürstenfabrikantensohn Hubert Täuscher,
6 . 45 Uhr morgens
Das Glockengeläut zur Frühmesse hatte Hubert geweckt. Im Mund der schale Geschmack der Zigaretten des vorhergehenden Abends, der Kopf schwer, stand er auf und tastete sich in der Dunkelheit hinüber zum Stuhl, auf dem seine Kleider lagen. In der Jackentasche fand er eine fast leere Zigarettenschachtel. Damit und mit einer Packung Zündholzer ging er wieder zurück ins Bett. Er stopfte sich die Kissen so zwischen Rücken und Wand, dass er aufrecht sitzen konnte. Er zündete sich eine Manoli an, tastete nach dem auf dem Nachtkästchen stehenden Aschenbecher, warf das abgebrannte Streichholz hinein und stellte den Ascher vor sich auf das Bett. Langsam inhalierte er den Rauch und betrachtete die Glut, die sich durch die Zigarette fraß. Der Luck und er sollten ihr Vorhaben aufgeben, mit jedem Zug wurde er sich dessen sicherer. Gut, sie hatten es probiert, und es hatte nicht geklappt, vielleicht ein Fingerzeig Gottes, es bleiben zu lassen. Die Schmucksachen waren nicht an der Stelle, wo er sie vermutet hatte, Luck hatte überall gesucht. Er konnte doch die Clara nicht nach dem Schmuck fragen! So naiv war sie nicht, die würde es gleich durchschauen. Wenn sie es jetzt sein ließen, wäre alles wie vorher.
Nachdem er die letzte Zigarette aus der Packung geraucht hatte, drückte er die Glut am Rand des Aschenbechers aus und stellte ihn wieder an seinen Platz zurück. Die leere Schachtel ließ er achtlos zu Boden fallen.
Hubert war froh, diese Entscheidung getroffen zu haben, es fühlte sich an, als fiele eine tonnenschwere Last von seinen Schultern. Gleich wenn sich die erste Gelegenheit ergab, wollte er mit Luck reden.
Müde rutschte er im Bett nach unten, zog die Bettdecke hoch und schlief ein.
Am späten Vormittag ließ er der Mutter durch das Hausmädchen ausrichten, dass ihm heute nicht wohl sei, er würde erst spät oder gar nicht ins Geschäft kommen, und zu seiner Überraschung ließen sie ihn schlafen. Gegen drei wurde er wach, stand auf und zog sich an. Danach traf er sich wie verabredet mit Schinder im Central.
Der war schon da. Hubert ging zu ihm hinüber, und noch ehe er sich setzte, rief Schinder bereits dem Kellner zu: »Fritz, einen Kaffee und einen Cognac für mein Spezl. Und wie immer auf meine Rechnung!«
»Danach ist mir jetzt nicht, Luck. Wir müssen reden.«
Schinder winkte ab: »Ja, ja. Setz dich erst mal her.«
Hubert setzte sich auf den freien Stuhl neben dem Fenster.
»Luck, ich hab’s mir überlegt: Die ganze Sache hat keinen Taug.«
»Was bringst jetzt da daher? Ich war drinnen
Weitere Kostenlose Bücher