Täuscher
wollt immer ein bisschen höher hinaus. Einen Beamten in gehobener Stellung, wie ihr Vater einer war, oder einen Offizier hätt sie heiraten wollen. Aber dann kam der Krieg, und irgendwie hat sie’s dann wohl überlurrt. Ganz lang soll sie eine Liebschaft mit einem gutsituierten, aber verheirateten Mann hier aus Landshut gehabt haben. Vom Hörensagen hab ich, dass das Verhältnis sogar noch Bestand hatte, wie sie sich schon mit dem Täuscher eingelassen hat. Aber beschwören möcht ich das nicht, glauben S’ mir, geredet wird viel. Und besonders jetzt.«
»Wann haben Sie sie denn zuletzt gesehen, die Clara?«
»Am Donnerstag auf die Nacht, gegen fünf Uhr, da ist sie hereingekommen ins Geschäft. Ich war gerade dabei, die Frau Gmeiner zu bedienen. Recht eilig hat sie es gehabt. Immer hin und her ist sie, die Clara. Und mit ihrem Lorgnon hat s’ die ganze Zeit herumgespielt, aber ich hab mich nicht drausbringen lassen. Ich kann auch nicht mehr als eine Kundschaft nach der anderen verrichten. Da hat s’ halt ein kleines bisserl warten müssen. Wie sie dann drankommen ist, wollt sie ein paar Scheiben Hirnwurst und den Presssack. Ja, und ein Stück Lyoner.«
»Ist Ihnen was Besonderes aufgefallen?«
»Besonderes? Nein.«
Traudl Rötzer überlegte kurz, dann fuhr sie fort.
»Ich hab sie noch gefragt, warum sie es denn gar so eilig hat. Ob sie etwa Besuch erwartet. Denn sie war schon recht hergerichtet, in ihrem grauen Kostüm mit dem Pelzkragen und den Ohrringen. Aber so war sie halt, die Clara, ging nie ohne Schmuck aus dem Haus. Sie achtete immer auf ihr Äußeres, war halt eine Dantschige.«
»Und was hat sie Ihnen zur Antwort gegeben?«
»Sie hat so getan, als hätte sie mich nicht gehört. Das hat s’ manchmal gemacht, wenn sie einem nicht antworten wollte, die Clara. Gleich danach ist sie hinaus aus dem Geschäft, aber davor hat sie das Geld noch genau abgezählt, da spielte es keine Rolle, ob sie es eilig hatte oder nicht. Mit dem Geld war sie immer sehr akkurat. Sie hat immer alles nachgezählt, ob es auch stimmt. Die Clara war wirklich nicht jedermanns Fall.«
Traudl Rötzer packte die beiden Wurstpakete zusammen und reicht sie Johann Huther über die Theke.
»Wissen S’, wie ich im Nachhinein dann erfahren hab, dass sie direkt ihrem Mörder in die Arme gelaufen sein muss, da hat es mich doch recht gegruselt. In der Zeitung ist doch gestanden, dass sie am Donnerstag ermordet wurde.«
»Ja, das stimmt, soweit wir wissen, muss die Tat am Donnerstag begangen worden sein.«
Johann Huther reichte Traudl Rötzer einen Geldschein. Sie beugte sich über die Theke und gab Huther mit der Hand ein Zeichen, dieser möge doch näher an sie heranrücken.
»Wissen S’, mir geht das nicht aus dem Kopf, wer weiß, vielleicht hat er gar schon auf die Clara gewartet, droben in der Wohnung. Wenn ich bloß daran denke, dann bekomm ich schon eine Gänsehaut, das können S’ mir glauben. Ich werd’s nicht los, womöglich hat sie die Wurst für den Mörder eingekauft. Das meint auch die Frau Gmeiner, die hat die Clara an diesem Tag ja auch hier im Laden gesehen. Stellen S’ sich vor, vielleicht hat der Mörder in ihrer Abwesenheit die Mutter umgebracht, und sie ist ihm dann direkt in die Arme gelaufen. Mir wird ganz anders! Wie mag sie sich gewehrt haben? Mit Armen und Beinen wird sie um sich geschlagen haben. Schrecklich! Man hört ja die allerwildesten Geschichten darüber. Gesagt haben s’, aufs Bett hat er sie geworfen und am End gar noch die Kleider vom Leib gerissen. Und dann soll er auf sie eingestochen haben, bis sie sich nicht mehr gerührt hat. Genau wie in dem Film, den sie jetzt gerade zeigen in den Zweibrücken-Lichtspielen,
Der blutige Dolch
. Den müssen S’ sich anschauen, dann wissen S’, wie er es gemacht hat. Die spielen den Film jetzt sogar länger, weil alle Leute hier in der Stadt ihn sehen wollen. Nach dem Mord ist das hier das Tagesgespräch, sag ich Ihnen.«
Huther bedankte sich höflich, nahm sein Wurstpaket und verließ den Laden. Am Ende blieb doch nur Ratsch und Tratsch. Ihm schwirrte der Kopf. Verrückt machen ließen sie sich alle, vom Gerede und vom Kino. Aber trotzdem würde er gleich morgen die Zeugin einbestellen lassen müssen, denn auch wenn einige ihrer Äußerungen doch sehr stark durch Vermutungen und selbstgezogene Schlüsse verwässert waren, so hatte sie doch als Letzte die junge Ganslmeier lebend gesehen. Und wer weiß, vielleicht lag sie mit ihrer Vermutung nicht
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