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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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sagte Decker.
    »Yeah, aber ich meine Haare und Augen.«
    Decker stimmte ihm zu.
    »Vielleicht bin ich ihr verloren geglaubter Bruder«, witzelte Benderhoff.
    »Bestimmt nicht.«

24
    Am Freeway 10-East waren vier öffentliche Telefonzellen, aber keine in der Nähe einer Absteige. Decker fiel allerdings auf, daß eine der Zellen fünfzig Meter von einer Überführung entfernt war. Darunter war ein geschützter Platz, an dem sich Obdachlose aufhielten. Um elf Uhr morgens waren die meisten von ihnen auf. Männer mit verfilzten Haaren stopften ihre Habseligkeiten in zerrissene Plastiktüten. Ihr Alter war schwer zu schätzen – alle hätten irgendwo zwischen zwanzig und fünfzig sein können. Neben den eifrigen Packern nuckelte ein grauhaariger alter Mann mit grauem Bart an einer Flasche Thunderbird. Er lag auf der Seite und fuhr mit den Fingern über den feuchten, mit Unkraut bewachsenen Boden. Ihm gegenüber redeten zwei Männer mit sich selbst, während sie mit den Fingern Hundefutter aus der Dose zum Frühstück aßen. Sie sahen Decker mit ängstlichen Augen an und drückten ihre kärglichen Habseligkeiten wie kleine Kinder an sich.
    Decker zündete sich eine Zigarette an, nicht, weil er Lust hatte zu rauchen, sondern um den Gestank zu ersticken. Er blies ein paar Rauchwolken in die Luft, dann nahm er einen Fünf-Dollar-Schein und die Fotos von Hersh und Noam heraus. Alle nickten eifrig, sagten, die beiden wären dort gewesen, und streckten ihre Hände aus. Wertlose Informationen.
    Decker schnipste mit zwei Fingern gegen den Geldschein.
    »Wo sind sie hin?« fragte er.
    Wieder erhielt er Antworten, aber keine erschien ihm glaubwürdig.
    Dann meldete sich der grauhaarige Mann mit dem Thunderbird zu Wort. Er zeigte mit dem Finger auf Decker und sagte: »Die waren hier.«
    Darauf folgte wieder Geraune: »Die waren hier! Die waren hier!« Dann wieder die leeren Hände. Decker schob sie beiseite und beugte sich zu dem alten Mann hinunter, bis sie sich ins Gesicht sehen konnten. Der Penner stank so nach Alkohol, als ob er in dem Zeug konserviert wäre. Außerdem hatte er so faule Zähne, daß sein Atem nach Verwesung roch. Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette.
    »Wieso bist du dir da so sicher, Alter?«
    »Weil mir einer von denen was gegeben hat«, sagte der Penner.
    »Was hat er dir denn gegeben?« fragte Decker.
    Der Penner schüttelte den Kopf. »Nee, nee, nee. Wenn ich’s Ihnen zeig, nehmses mir weg.«
    Decker wedelte mit dem Geldschein vor dem Gesicht des Alten herum. »Wenn du’s mir zeigst, und es gefällt mir, kauf ich’s dir ab.«
    Der alte Mann kniff die Augenbrauen zusammen und drückte seine Zunge gegen seine hohlen Wangen. Dann nuckelte er wieder an seiner Flasche.
    Decker zeigte ihm die Fotos. »Waren die alle beide letzte Nacht hier?«
    Der Penner hörte auf zu nuckeln, »’n paar Stunden. Der da«, er schlug mit der Hand gegen das Foto von Hersh, »hat geschlafn. Aber der«, diesmal fuhr die Hand zu Noams Bild, »der is aufgestanden und später zurückgekommen … und das sollt er nich. Der Große hat nämlich gesacht … ›Geh nich weg‹. Aber der Kleine … is trotzdem abgehaun.«
    »Weißt du, wo der Kleine hingegangen ist?« fragte Decker.
    Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Einfach … weg. Aber er kam wieder. Und hat gesehn, daß ich ihn anguck. Und er wußte, dasser nich weg durfte. Also sacht er zu mir … ›Du kannst das ham, aber nur, wenn du nix sachst‹. Also hab ich nix gesacht.«
    »Was hat er dir gegeben?« fragte Decker.
    »Wollnses kaufen?«
    »Vielleicht. Ich muß es mir erst mal angucken, Alter.«
    »Na gut …« Der Penner griff unter sich und zog eine Skimaske hervor. »Is ’ne gute.« Er prüfte sie und hielt sie Decker hin. »Keine Löcher drin.«
    Decker steckte dem alten Mann den Fünfer in die Tasche und nahm die Maske.
     
    Rina schreckte auf, als sie das Auto in der Einfahrt halten hörte. Sie hatte sich auf das Sofa gelegt und gelesen und war eingeschlafen. Die Vorhänge waren offen, und die Nachmittagssonne schien durch das Panoramafenster. Rina rieb sich die Augen und sah sich um. Es war ein freundlicher Raum, obwohl die Ausstattung durch und durch männlich war, die grob behauenen Deckenbalken, der Dielenboden aus Tannenholz, auf dem ein Navajoteppich lag, die Wildledersessel um den Kamin herum und der Sofatisch aus Treibholz. Alle Möbel waren extra groß, damit ihr Mann genug Platz darin hatte. Sie hörte, wie die Haustür aufging. Ginger fing an zu

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