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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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er einschlief. Dann würden sie sich öffnen, herabstoßen und ihn in die unendliche Leere hinaufziehen.
    Früher hätte ihn diese Vorstellung erschreckt. Aber jetzt ließ es ihn völlig kalt. Haschem war gnädig. Haschem würde ihn lange genug leben lassen, um Teschuwah zu tun. Das einzige, was Noam jetzt noch angst machte, war, wie lange er brauchen würde, um zu bereuen. Wenn er wirklich aufrichtig war, würde er rasch Teschuwah tun und dann sterben können. Wenn er es nicht war, würde er noch jahrelang leben und leiden müssen, bis er alles bereut hatte.
    Jeden Tag aufwachen und Haschem um Vergebung bitten. Jeden Tag mit dem furchtbaren Bild von diesem armen Mann leben müssen, das ihm förmlich ins Gehirn eingebrannt war und ihn immer daran erinnern würde, was er getan hatte.
    Dieser Schmerz war überwältigend und erdrückte jede Angst, die er mal vor dem Sterben gehabt hatte, die er mal vor Hersh gehabt hatte.
    Er würde Hersh verlassen, sobald sie in San Francisco angekommen waren. Ihn einfach auf offener Straße stehen lassen. Wenn Hersh ihn angriff, ihn tötete, dann war es auch gut. Aber höchstwahrscheinlich würde Hersh ihn gehen lassen.
    Er würde nie zu seiner Familie zurückkehren – das hatte er nicht verdient. Er würde sich irgendwo verstecken und von nichts leben. Wenn er für achtzehn durchgehen konnte, würde er sich irgendeine obskure Baal Teschuwah Jeschiwa suchen, die keine Fragen stellte. Er würde ein Nasir werden – ein Mann, der keinen Wein trank und der sich nie rasierte. Er würde seine restlichen Tage mit Lernen, Beten und Buße tun verbringen.
    Noam wußte, daß er nur eine winzige Chance hatte, erlöst zu werden. Aber eine winzige Chance war besser als gar keine. Das war das Wunderbare an Haschem. Er war immer bereit, einem eine kleine Chance zu geben.
     
    Nach dem dreizehnten Klingeln knallte Decker den Hörer auf.
    Wo zum Teufel steckte Rina?
    Vor fast einer Stunde hätte MacPherson die Flugblätter abholen sollen. Wenn er Rina nicht angetroffen hätte, hätte er sich doch gemeldet.
    Beruhig dich, ermahnte sich Decker. Er holte tief Luft und bat die Funkzentrale, ihn zu MacPherson durchzustellen. Die Stimme am anderen Ende klang heiser und verschlafen.
    Ohne sich zu melden sagte Decker: »Paul, hast du geschlafen?«
    Zunächst herrschte am anderen Ende Schweigen. Dann kam: »Pete, laß es mich erklären …«
    »Ich kann Rina nicht erreichen. Ist sie etwa an deiner Stelle zum Flughafen gefahren?«
    »Ich glaub, ja …«
    »Du glaubst ja«, wiederholte Decker ganz ruhig. »Wir unterhalten uns später, Kumpel. Jetzt feg ich erst mal rüber zum L. A. International und hoffe bei Gott, daß meiner Frau nichts passiert ist.«
    »Pete, ich bin sicher, daß sie …«
    Decker hängte ein, schnappte sich seine Schlüssel, sprang in den Plymouth und raste los. Er spürte eine Mischung aus Wut und Sorge im Bauch. Ihm war zwar klar, daß es in jeder Ehe Probleme gab, aber er hatte nicht erwartet, daß sie so früh auftauchen würden. Rina trieb es zu weit. Es schien fast, als mache es ihr Spaß, ihn in den Wahnsinn zu treiben. Die Flitterwochen waren eindeutig vorbei.
     
    Zum siebten Mal an diesem Abend erklärte Rina einem Sicherheitsbeamten den Zweck ihres Besuchs. Diesmal war sie am Terminal von TWA, die von allen inländischen Gesellschaften am weitesten vom Eingang des Flughafens entfernt war. So früh am Morgen war es in der Abfertigungshalle ziemlich unheimlich. Sie war zwar nicht ganz menschenleer, doch es gab viel zu viel Platz für die wenigen Fluggäste. Schritte hallten wider, Stimmen klangen laut, selbst wenn man ganz normal sprach. Deshalb fing Rina an zu flüstern. Die Leute waren um die einzelnen Schalter verstreut. Einige dösten auf ihren Stühlen, die Griffe ihrer Koffer fest umklammert. Andere waren wach und sahen sich mit glasigen Augen in der Halle um, ohne irgendwas richtig anzugucken.
    Die stämmige schwarze Frau an der Sicherheitskontrolle war freundlich, aber nicht sehr hilfsbereit. Sie nahm das Flugblatt, warf einen kurzen Blick auf die Gesichter und fragte dann, wenn diese Typen so schlimm wären, wieso sie dann nichts über die offiziellen Kanäle gehört hätte?
    Darauf wußte Rina keine Antwort. Sie hatte keine Ahnung, wie man bei solchen Dingen vorging. Sie wußte noch nicht mal, was ganz genau in Hollywood passiert war. Aber das konnte sie der Sicherheitsbeamtin nicht sagen, also murmelte sie irgendwas, daß solche Dinge halt Zeit brauchten.
    Mangelnder

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