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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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sieben-eins-acht.«
    Decker knallte die Tür zu und steckte ein weiteres 25-Cent-Stück in den Telefonschlitz. Nachdem er die Nummer von der Auskunft erfahren hatte, nahm er seine Telefonkarte und gab der Vermittlung die Vorwahl von Brooklyn. Frieda nahm beim ersten Klingeln ab.
    »Mrs. Levine, hier ist Sergeant Decker.« Er merkte, wie kalt sich das anhörte und fuhr dann mit sanfterer Stimme fort. »Was gibt’s?«
    »Er hat sich bei mir gemeldet«, sagte Frieda. Sie war außer Atem. »Irgendwer war bei ihm … ich konnte noch eine andere Stimme hören. Noam hat nicht länger als eine Minute mit mir gesprochen. Er machte sich Sorgen, daß der Anschluß abgehört würde. Er klang …« Sie hielt inne, weil ihr die Stimme versagte. »Er klang völlig hysterisch, als ob er in einer furchtbaren Situation wäre. Ist er das, Sergeant?«
    »Nennen Sie mich bitte Akiva«, sagte Decker. »Ja, ich glaube, Noam steckt in Schwierigkeiten. Aber eins nach dem anderen. Ich möchte genau wissen, was gesagt wurde. Ich werde Ihnen eine Menge Fragen stellen, also versuchen Sie sich bitte zu entspannen, und dann gehen wir alles von Anfang an durch.«
    »Ich hab was Besseres«, sagte Frieda. »Ich hatte einen Anrufbeantworter angeschlossen, wie Sie es uns nach seinem Anruf bei Miriam geraten haben. Ich hab das Gespräch aufgenommen. Ich hab’s zurücklaufen lassen, und es ist drauf. Ich muß nur noch mal zurückspulen …«
    Decker sagte ihr, sie solle sich Zeit lassen, und dachte: Halleluja! Wenigstens einer, der auf ihn hörte. »Ich hol inzwischen mein Notizbuch raus«, sagte er.
    »Okay«, sagte Frieda. »Ich bin soweit. Ich schalt jetzt ein. Wenn Sie nichts hören, rufen sie ›lauter‹.«
    »Verstanden.« Decker steckte sich einen Finger in das freie Ohr und lauschte. Er hörte das Gerät klicken und stellte fest, daß es mitten im Satz angefangen hatte aufzunehmen. Frieda hatte es vermutlich erst eingeschaltet, als sie Noams Stimme hörte. Sie kam als erste.
    FRIEDA: … bist du, Noam?
    NOAM: Das kann ich dir nicht sagen. Wir werden uns nie mehr sehen. Ich möchte nur auf Wiedersehen sagen.
    Es rauschte stark in der Leitung.
    FRIEDA (verzweifelt): Noam, leg nicht auf, leg nicht auf. Ich hab dich lieb. Du mußt wissen, daß ich dich lieb hab.
    NOAM (weinend): Ich hab dich auch lieb, Bubbe.
    FRIEDA: Noam, es spielt keine Rolle, was du getan hast, mir ist egal, was du getan hast. Ich hab dich lieb. Wir alle haben dich lieb. Wir wollen dich wieder hier bei uns haben. Uns ist egal … (Weinen) … wir werden dir helfen. Ganz gleich, was du getan hast.
    STIMME IM HINTERGRUND (tief und guttural): Noch dreißig Sekunden.
    NOAM (immer noch weinend): Ich kann nicht länger sprechen. Für den Fall, daß das Telefon abgehört wird.
    FRIEDA: Es wird nicht abgehört, das schwöre ich dir, Noam. Ich schwöre es auf den Chumasch.
    STIMME IM HINTERGRUND: Zwanzig.
    Starkes Rauschen.
    NOAM: … Abba und Ima, die hab ich auch lieb.
    FRIEDA: Noam, komm zu uns nach Hause. Bitte.
    Noch mehr Rauschen.
    NOAM (zögernd): Ich kann nicht nach Hause kommen.
    FRIEDA (wieder weinend): Doch, das kannst du. Ich hab dich lieb, Darling. Es ist mir egal, was … (Weinen) … komm nur nach Hause.
    NOAM: Wein nicht, Bubbe. Bitte wein nicht.
    STIMME IM HINTERGRUND: Zehn.
    Ein lautes Rumpeln übertönte alles. Dann hörte Decker Noams Stimme, konnte aber die Worte nicht verstehen.
    FRIEDA: … komm nach Hause. Wir haben dich sehr lieb.
    STIMME IM HINTERGRUND: Fünf.
    Rauschen.
    NOAM: Ich muß jetzt Schluß machen. Slachi - bitte vergib mir. Bitte, bitte. Sag allen, sie möchten das tun. Ich hab euch alle lieb.
    Die Leitung schien tot, dann meldete sich Frieda wieder. Ihre Stimme war so leise, daß Decker sie bitten mußte, lauter zu sprechen. Sie räusperte sich und sagte: »Ich … mir ist nichts anderes eingefallen, als zu sagen, ich hab dich lieb …«
    Es lag so viel Schmerz in ihrer Stimme – auch in der ihres Enkels. Noam mochte zwar groß für sein Alter sein, doch seine Stimme hatte immer noch ein kindliches Timbre. Die leise klagende Stimme eines Jungen, der völlig verzweifelt ist. Es war herzzerreißend, ihn nur sprechen zu hören.
    »Sie haben getan, was Sie tun konnten«, sagte Decker.
    »Sie wissen nicht, wo er ist?«
    »Vor fünf Stunden war er noch in Los Angeles«, sagte Decker. »Er könnte immer noch hier sein, aber ich weiß es nicht.«
    »Es sieht schlimmer aus als beim letzten Mal?«
    »Ja.« Decker seufzte. »Mrs. Levine …«
    Erneut

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