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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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zögerte er. Mrs. Levine? Nun ja, wie sollte er sie sonst nennen? Ganz bestimmt nicht Mom. »Mrs. Levine, würden Sie mir bitte das Band noch einmal vorspielen. Ich hab mich ganz auf das Gespräch konzentriert und nicht auf die Geräusche im Hintergrund geachtet. Die möchte ich mir jetzt anhören.«
    »Selbstverständlich«, sagte Frieda.
    Sie spulte das Band zurück und drückte auf den Knopf. Wieder fiel Decker auf, wie jung Noam sich anhörte, wie verzweifelt er war. Er fragte sich, ob der Junge möglicherweise an Selbstmord dachte, und bemühte sich, trotz der lauten Störgeräusche alles mitzubekommen.
    Die andere Stimme war tief und hatte einen starken Brooklyn-Akzent. Im Hintergrund hörte man das gleichmäßige Rauschen vorbeifahrender Autos. Sie mußten wieder in der Nähe eines Freeways sein. Eine Zeitlang war nichts weiter Aufschlußreiches mehr zu hören, bis es plötzlich ein lautes donnerndes Geräusch gab.
    Unverkennbar.
    Ein tieffliegendes Flugzeug.
    Sie waren in der Nähe eines Flughafens.
    In Los Angeles gab es nur zwei größere Flughäfen, L. A. International und den kleineren Inlandsflughafen Hollywood-Burbank. Decker wußte aus Erfahrung, daß Hollywood-Burbank zwischen ein und zwei Uhr morgens zumachte. Das galt auch für die meisten Charter-Flughäfen.
    Falls Hersh und Noam nicht nach Orange County verduftet waren und vom John Wayne International weg wollten, war er ihnen vermutlich dicht auf den Fersen.
    Als Frieda sich wieder meldete, fragte Decker sie, wann sie den Anruf bekommen hätte.
    »Um sechs Uhr achtzehn«, sagte Frieda. »Ich hab auf die Uhr geguckt.«
    Drei Uhr achtzehn nach unserer Zeit, dachte Decker. Was für Flugzeuge starteten oder landeten um drei Uhr achtzehn? Er bat sie, einen Augenblick zu warten, und warf einen Blick auf die Monitore im TWA-Terminal. Um 3:19 ging nichts. Er sah auf seine Uhr – 3:47. »Mrs. Levine, ich hab jetzt viel zu tun. Ich ruf Sie in einer Stunde wieder an.«
    »Halten Sie mich bitte auf dem laufenden, Akiva«, sagte Frieda. »Diese Ungewißheit ist das Schlimmste.«
    »Das kann ich gut verstehen. Falls Sie es noch nicht getan haben, sollten Sie jetzt Ezra und Breina anrufen. Sagen Sie ihnen, daß Sie von Noam gehört haben … daß er am Leben ist.«
    »Boruch Haschem«, flüsterte Frieda. »Ich hab die beiden noch nicht angerufen, weil ich die Leitung für Sie freihalten wollte. Ich ruf sie jetzt sofort dort an.«
    »Gut. Ich meld’ mich wieder.« Decker hängte ein und verließ die Telefonzelle. Während sie die Treppe herunterrasten und dann durch den langen Gang bis zum Ausgang liefen, berichtete er Rina kurz, was passiert war. »Ich geh’ jetzt zum Auto und verständige die übrigen LAX-Terminals. Das geht mit dem Funkgerät schneller als per Telefon.«
    Rina schaffte es kaum, mit ihm Schritt zu halten. »Sie sind also irgendwo im Flughafen?«
    Decker war sich nicht sicher, ob Rina vor Aufregung oder vor Anstrengung so atemlos war. Er lief ein bißchen langsamer. »Ich weiß nicht, ob sie im Flughafen sind. Offenkundig hat Noam nicht von einem Terminal angerufen. In diesen Zellen hört man vom Freeway nichts.«
    Sie verließen das Gebäude. Die Nacht war kalt und neblig, die Luft vom Summen von Generatoren erfüllt. Sie blieben am Bordstein stehen. Decker lauschte einen Augenblick, dann fragte er: »Hörst du den Freeway?«
    »Leise.«
    »Ich hab’ ihn jedenfalls deutlich gehört«, sagte Decker. »Trotz der Störgeräusche aus der Leitung und einem billigen Tonbandgerät. Und dieses Summen im Hintergrund hab’ ich auch nicht gehört. Sie haben nicht vom Flughafen angerufen. Da bin ich mir ganz sicher.«
    »Also sind sie nicht hier«, sagte Rina.
    »Vor einer halben Stunde waren sie nicht hier. Aber sie könnten sich inzwischen eingeschlichen haben oder vielleicht später kommen wollen.« Er klatschte in die Hände und rieb sie aneinander. »Ich werde Marge anrufen und sie bitten, den Flughafen zu kontrollieren, während ich mich hier in der Gegend umsehe.«
    »Soll ich bei Marge bleiben?« fragte Rina. »Ich würde Noam eher erkennen als sie.«
    Decker starrte sie an. »Du hältst dich da raus. Hatten wir doch abgemacht, oder?«
    »Ich dachte ja bloß …«
    »Nein.«
    »Okay.« Sie stopfte einige lose Haarsträhnen unter ihr Tuch. »Was hast du vor?«
    »Ich klappere die billigen Motels hier in der Gegend ab. Irgendwo müssen sie schließlich gewesen sein.«
    Sie gingen weiter.
    Der riesige geteerte Parkplatz war keineswegs leer.

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