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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Schmerz. Das bedeutet verletzt zu sein! Richtig verletzt! Kapiert!«
    Rina antwortete nicht.
    »Okay, ich rede also wirres Zeug …«
    »Du bist halt ziemlich durcheinander. Das ist doch verständlich.«
    »Ich bin nicht durcheinander … okay, ich bin durcheinander …«
    »Peter, hast du denn den Namen nicht erkannt, als ich dir von ihr erzählt hab?«
    »Irgendwo im Hinterkopf wußte ich, daß sie eine verheiratete Levine oder Levy oder so was war. Aber für mich war sie immer Frieda Boretsky …«
    »Das ist tatsächlich ihr Mädchenname.«
    »Woher kennst du ihren Mädchennamen?«
    »Ich hab dir doch erzählt, daß ihre Eltern an Neujahr immer bei meinen Schwiegereltern zum Essen eingeladen sind. Das sind Rabbi und Rebezzin Boretsky …«
    »Das ist ja zum Schreien«, fiel Decker ihr ins Wort. »Dann lern ich auch gleich noch meine Großeltern kennen.«
    »Peter, das muß furchtbar für dich sein …«
    »Nicht so furchtbar wie für Oma und Opa Boretsky. Denn ich bin sicher, die haben den guten Benny Aranoff auch nicht vergessen, so sehr sie sich auch darum bemüht haben.«
    »Benny Aranoff ist dein leiblicher Vater?«
    »Yep.«
    Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Erschöpft ließ sich Decker auf das Sofa fallen. »Rina, ich kann ihnen nicht gegenübertreten. Keinem von ihnen. Sag einfach, ich sei krank – was sogar der Wahrheit entspricht – und könnte nicht zum Essen kommen. Und nach den Feiertagen will ich sofort nach Hause.«
    Rina schloß die Augen und nickte.
    »Es tut mir leid«, sagte Decker.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte Rina. »Ich kann das vollkommen verstehen.«
    »Ich werde ihnen sagen, ich war wegen einem dringenden Fall zurückgerufen worden.«
    »Du brauchst gar nichts zu sagen, Peter. Ich regel das für dich. Das ist das mindeste, was ich tun kann, nachdem ich dich in diesen ganzen Schlamassel reingezogen habe.«
    Schätzchen, dieser Schlamassel hat vor langer Zeit begonnen, dachte Decker. Als nämlich ein fünfzehnjähriges Mädchen nicht nein zu ihrem Freund sagte – weder in puncto Sex noch in puncto Heirat. Decker war sich nicht ganz sicher, was zuerst passiert war. Bloß daß sie sich schon irgendwie geliebt haben mußten, denn sie waren beide von zu Hause ausgerissen, um zu heiraten. Doch dann hatten der gute Rabbi und die Rebezzin Boretsky ihre Tochter gefunden und die Ehe für ungültig erklärt. Um nur ja nicht noch irgendwelche Spuren dieser Verbindung vor Augen zu haben, hatten sie Frieda nach Florida geschickt, damit sie dort das Baby bekam.
    »Es ist gar nicht so schlimm«, sagte Decker. »Ich geh halt wieder arbeiten und nehm später noch mal Urlaub. Dann könnten wir vielleicht nach Hawaii fliegen – gute Idee, wir nehmen auch die Jungen mit. Mieten uns ein Kindermädchen. Das wird ihnen bestimmt gefallen. Große Hotels haben Kindermädchen …«
    »Peter, du fängst wieder an abzuschweifen.« Rina stand auf. »Die Familie müßte jeden Augenblick zurück sein. Geh nach oben, zieh dir deinen Schlafanzug an, kriech ins Bett und seh krank aus.« Sie betrachtete sein Gesicht. »Dazu brauchst du dich noch nicht mal zu verstellen, Peter. Lies was, und versuch, dich zu entspannen. Ich bring dir was zu essen rauf. Meinst du, du kannst was essen?«
    »Im Augenblick nicht«, sagte Decker. »Obwohl ich eigentlich total ausgehungert sein müßte.«
    Rina ging zum Wohnzimmerfenster und zog die Gardinen zurück. Ganze Familien füllten die Straßen – Männer und Frauen in Festtagskleidung. Schmuck glitzerte an Fingern, Ohren und Hälsen. »In einigen Schulen muß der Gottesdienst zu Ende sein. Die Leute kommen schon nach Hause. Geh schon.«
    Decker ging die Treppe hinauf. Auf halber Höhe blieb er stehen und rief hinunter: »Vielleicht ist es ja besser so.«
    Rina stimmte ihm zu. Decker wußte zwar, daß sie ihn nur beruhigen wollte, trotzdem munterte ihre Antwort ihn ein wenig auf.
     
    Alle redeten gleichzeitig auf Rina ein.
    Es tut mir ja so leid.
    Hast du seine Temperatur gemessen?
    Kann er was essen?
    Das muß der Jet-lag sein.
    Der ganze Streß im Beruf.
    Er sollte ein bißchen essen.
    Diese Flugzeuge sind ja auch so überfüllt, und alle husten in die immer wieder umgewälzte Luft.
    Hast du ihm was gegen das Fieber gegeben?
    Diese Grippen kommen so plötzlich, wie angeflogen.
    Nur ein bißchen Suppe.
    Rina parierte die Fragen wie ein Meisterfechter.
    Kurz darauf hörte Decker ein Klopfen an der Tür. Stereo-Klopfen. Bestimmt seine Stiefsöhne. Um ganz

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