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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Bibliothek.«
    »Wenn Sie schon einmal hier sind, sollten Sie sich die Grand Army Plaza ansehen. Da gibt’s einen sehr, sehr großen Bogen.«
    »Ich hab schon jede Menge Bögen bei McDonald’s gesehn«, knurrte Decker.
    »O nein«, antwortete der Fahrer. »Der da ist was ganz anderes. Viel größer. Und auch älter.«
    »Ich hab keine Lust, mir irgendwelche Bögen …«
    »Es ist aber ein sehr schöner Bogen.«
    »Bringen Sie mich bitte zur Bibliothek«, sagte Decker, jedes Wort einzeln betonend.
    »Wir kommen auf dem Weg zur Bibliothek direkt an dem Bogen …«
    »Okay, zeigen Sie mir den Scheißbogen!«
    »Ich meine, wenn Sie den Bogen nicht sehen wollen …«
    »Ich will den Bogen sehen«, sagte Decker. »Ich bin sogar ganz wild darauf, den Bogen zu sehen. Und wenn ich nicht sofort den Bogen sehe, passiert noch ein Unglück.«
    Decker sah in den Rückspiegel. Der Mund des Fahrers war zu einem O erstarrt. Er lenkte das Taxi an dem Bogen vorbei, dann fuhr er Decker zur Bibliothek. Während der ganzen restlichen Fahrt sagte er kein Wort mehr.

4
    Folgende Story hatte er sich zurechtgelegt: Ihm war plötzlich ein wichtiges Detail zu einem sehr wichtigen Fall eingefallen, und er mußte von einem öffentlichen Telefon aus anrufen, weil es ein Verstoß gegen seine Berufsethik gewesen wäre, wenn irgend jemand dabei hätte mithören können. Und er mußte unbedingt Marge auf dem Revier erreichen, weil ein Leben davon abhing, nein, nicht nur ein Leben, der ganze Justizapparat von Kalifornien …
    Dann dachte Decker, daß selbst der komplizierteste Telefonanruf der Welt keine Abwesenheit von sechs Stunden erklären würde. Der Tag, an dem Gott Gericht hielt, stand bevor, und sein Kopf war voller fadenscheiniger Lügen.
    Die Nacht war bitterkalt. Feuchtigkeit kroch durch seine Kleidung und drang ihm bis in die Knochen. Seine Finger und Zehen waren so kalt und steif wie Marmor. Da er immer in einem gemäßigten Klima gelebt hatte, war sein Organismus völlig wehrlos gegen diese Kälte.
    Decker kam zu der Straße, dann zum Haus. Die Fenster waren hell erleuchtet, aus dem Schornstein schlängelte sich Rauch. Und dann die Gerüche. Er hatte zwar Angst vor den Leuten, aber das Haus wirkte so verdammt einladend. Während er auf die Tür zuging, klappte er den Kragen hoch und versuchte sein Gesicht, so gut es ging, zu verbergen. Für den Fall daß sie gerade da sein sollte.
    Als er unter das Vordach trat, zog er sich seinen Schal über den Kopf.
    Sollten sie ihn doch für gestört halten. Wen zum Teufel kümmerte das?
    Rina riß die Tür auf, bevor er überhaupt angeklopft hatte. Sie sah ihn vollkommen fassungslos an.
    »Ist außer dir jemand da?« flüsterte Decker.
    »Sie sind alle in die Schul gegangen«, sagte Rina.
    Decker ging ins Haus, nahm den Schal vom Kopf und klappte den Mantelkragen herunter. Dann lief er die Treppe hinauf und hörte, wie Rina ihm folgte. Er riß die Tür zu dem winzigen Schlafzimmer auf und stieß sich sofort den Fuß an dem ausgeklappten Bett. Fluchend ließ er sich auf die Matratze fallen und fuhr sich mit den Fingern durchs Gesicht. Das Zimmer wurde von einer einzigen 60-Watt-Tischlampe erleuchtet, die auf dem Fußboden stand. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte 18.52 Uhr.
    Rina setzte sich neben ihn.
    »Peter, du hast mir einen fürchterlichen Schrecken eingejagt. Was um alles in der Welt ist los? Hat diese geballte Dosis Religion dir einen Schock versetzt, oder was?«
    »Das ist es nicht.«
    »Bitte, Peter«, flehte Rina. »Das hab ich nicht verdient …«
    »Was hast du ihnen gesagt?« fiel Decker ihr ins Wort.
    »Wie bitte?«
    »Wie hast du erklärt, daß ich einfach aus dem Haus gestürmt bin?«
    »Irgendwas mit deiner Tochter … irgendwas, das du noch unbedingt für sie erledigen mußtest.«
    »Cindy war eine gute Ausrede«, sagte Decker. »Viel besser als die, die ich mir ausgedacht hatte.«
    Plötzlich brach Rina in Tränen aus. »Wir hätten nicht hierherkommen sollen. Ich hätte absagen sollen.«
    »Rina …«
    »Es ist alles meine Schuld«, schluchzte sie.
    »Es hat nichts mit Religion zu tun«, sagte Decker. »Es …« Er stand auf. In einem so winzigen Zimmer konnte man noch nicht mal auf und ab gehen. »Wie sollen wir überhaupt schlafen, wenn wir das Licht nicht ausschalten dürfen?«
    »Es wird mit einem Zeitschalter geregelt«, sagte Rina.
    Decker setzte sich wieder hin, lehnte sich zurück und begrub sein Gesicht in der Decke.
    »Du willst es mir also nicht erzählen?« fragte

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