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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Wangen, wie von der Sonne verbrannt. Der Kopf war von der langen und schweren Geburt ein wenig verformt und voller Druckstellen gewesen.
    Die Ärzte hatten ihn schon mit einem Kaiserschnitt holen wollen, doch ihr Vater hatte darauf bestanden, daß sie natürlich gebären sollte. Ein Kaiserschnitt würde eine verräterische Narbe hinterlassen, die ihrem zukünftigen Mann signalisieren würde, daß er nicht der erste war.
    In letzter Minute hatte er sie gerettet und war von alleine herausgekommen. Sein flaumig weicher Körper war schon bei der Geburt ganz schön muskulös gewesen. Er hatte lange Gliedmaßen und einen gewölbten Brustkorb gehabt. Acht Pfund schwer und achtundfünfzig Zentimeter groß. Doch was ihr am deutlichsten in Erinnerung geblieben war, war sein Temperament. Er hatte nie geschrien, nur ab und zu leise Töne von sich gegeben, um allen zu zeigen, daß er ein gesundes Baby war. Selbst dem Arzt war das aufgefallen.
    Der große Bursche scheint ja ganz zufrieden zu sein.
    Frieda hörte ein leises mitleiderregendes Schluchzen. Sie dachte, es sei vielleicht Breina im Nebenzimmer, und daß sie hinübergehen sollte, um ihre Schwiegertochter zu trösten. Doch dann merkte sie, daß das Geräusch aus ihrer eigenen Kehle kam.
     
    Ezras drei Söhne teilten sich ein Zimmer, das zwar vollgestopft, aber absolut ordentlich aufgeräumt war. Die Betten waren gemacht, im Wandschrank war alles akkurat gestapelt und aufgehängt. Selbst neben dem Computer und auf dem Schreibtisch lag nichts herum.
    Auf Deckers Frage, wie sie das schafften, stieß Boruch ein langgezogenes Iiiima aus. Doch es lag durchaus Zärtlichkeit in seiner Stimme.
    Die drei Betten standen mit den Kopfenden nebeneinander an einer Wand wie in einem Krankenhaus. Die Laken waren an den Seiten eingesteckt, die Kopfkissen aufgeschüttelt und unter die Bettdecke geschoben wie die Füllung eines Omelettes. Über den Betten waren drei Reihen Bücherregale angebracht. Sie enthielten größtenteils hebräische und religiöse Bücher, aber es gab auch etwa ein Dutzend Lehrbücher zu nichtreligiösen Fächern. An den Wänden hingen keine Poster oder sonstige Dekorationen. Die einzige Ausnahme bildete ein gerahmtes Foto von einem kleinen älteren Mann mit Bart und einem schwarzen Hut. Er hatte ein rundes Gesicht mit unzähligen Falten. Seine Augen strahlten eine ungeheure Wärme aus.
    »Rav Moshe Feinstein, alaw ha-Schalom«, sagte Aaron.
    Decker, dem der Name bekannt war, nickte. Rabbi Feinstein war zu seiner Zeit der führende Torahgelehrte gewesen, ein Mann, der für seine große Güte und seinen genialen Verstand bekannt gewesen war.
    Er wandte sich von dem Bild ab. Die Jungen saßen auf ihren Betten. »Ich versuche, alles wieder so hinzulegen, wie es war, aber ich muß die ganzen Sachen durchgehen«, sagte er.
    Die Brüder nickten verständnisvoll.
    »Während ich das mache, möchte ich, daß einer von euch den Computer einschaltet und nach Dateien sucht, die eventuell von Noam sein könnten.«
    Die Jungen rührten sich nicht. »Haben Sie das mit meinem Vater besprochen?« fragte Aaron schließlich.
    Decker seufzte. »Sieh mal, ich weiß, daß ihr den Computer an Jom Tow eigentlich nicht benutzen dürft, aber das ist ein Notfall. Wenn du es nicht machen willst, dann sag mir wenigstens, wie es geht.«
    »Nein, nein«, sagte Aaron. »Dann würde ich Sie ja zu einer Awera verleiten. Boruch, du machst es. Du hast noch keine Bar Mitzwa gehabt.«
    »Ist das okay?« wollte Boruch von Decker wissen.
    »Absolut okay, es ist nämlich sehr wichtig.«
    »Dann mach ich es«, sagte Boruch.
    Decker fing mit dem Schreibtisch an. Weil er so gut aufgeräumt war, würde die Suche ein Kinderspiel sein. Er begann auf der rechten Seite und zog die oberste Schublade heraus. Sie enthielt Mathematikhefte. In der zweiten waren Hefte aus anderen nichtreligiösen Fächern. In der dritten lagen in Hebräisch beschriebene Blätter. Die linke Seite war ein exaktes Abbild der rechten. Die Schublade in der Mitte des Schreibtischs enthielt Büromaterial – Kugelschreiber, Bleistifte, Lineale, einen Hefter, eine Schachtel Gummiringe und eine Schachtel Büroklammern.
    Soviel zum Schreibtisch.
    Boruch erklärte, auf der ersten Diskette wären keine Dateien von Noam. Er würde es mit den anderen probieren. Decker lobte ihn und machte sich an den Wandschrank.
    Er war genauso aufgeräumt wie der Schreibtisch. Decker dachte einen Augenblick nach. Um in einem Zimmer, in dem drei Jungen im

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